Laudatio – Katrin Sefaj “Vincinette und mehr“ am 08.06.2023
Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste,
willkommen im
Bernsteinzimmer der HafenCity!
Mein Name ist Thomas Lüdecke und ich vertrete heute unseren Keynote-Speaker Bernd Roloff, der leider erkrankt ist. Im Namen von Bernd und von Nissi darf ich Euch heute auf das Herzlichste begrüßen, zur sage und schreibe 84. Vernissage von Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013.
Zu meiner Rechten, wie immer im Einsatz für die gute Kunst, Bernds Assistentin Betty. Zusammen versuchen wir, Bernd so gut wie möglich zu vertreten.
Wir begrüßen dich, liebe Katrin Sefaj und begrüßen euch, liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste und liebes Team von Nissi zu dieser großartigen Ausstellung mit dem wahrlich stürmischen Motto
„Vincinette und mehr“
Das ist ja mal ein Motto zum Nachdenken und Nachhaken: Vincinette! Wer oder was mag das wohl sein? Der Ein oder Andere von euch hat diesen Namen bestimmt schon mal gehört. Aber in welchen Zusammenhang den bloß?
In dieser Ausstellung trägt selbstredend auch ein Werk von dir, liebe Katrin, den Namen
„Vincinette“:
Dieses Werk ist in vielschichtiger Betrachtungsweise wirklich etwas ganz Besonderes. Daher erstaunt es nicht, dass du für deine erste alleinige Ausstellung dieses Gemälde als namensgebend auserkoren hast.
Zunächst erscheint es kraftvoll und beweglich, melancholisch, aber auch bedrohlich, fast destruktiv. Für unsere Künstlerin Katrin Sefaj gehört zerstörerische Kraft ganz eindeutig zum künstlerischen Erschaffen.
Auch bei ihrem Werk „Vincinette“ hat nicht nur das Dargestellte etwas Zerstörerisches, sondern auch die Erschaffung war geprägt davon. Die Künstlerin hat einen ganz eigenen Bezug zu dieser Werkerschaffung.
Sie schreibt unserer Redaktion dazu:
„Manchmal zerstöre ich ein angefangenes Werk oder auch eines, das ich schon für fertig erklärt habe. Das Bild Vincinette war eigentlich fertig, es stand da und guckte mich aber immer wieder an und ärgerte mich. Ich nahm meinen Eimer Wasser und muss sagen, das fand ich ziemlich mutig von mir einfach zu gucken, was passiert, denn ich habe ziemlich lang an dem Bild gearbeitet. Das Wasser lief über das Wasser und wo sich eigentlich Verzweiflung ankündigen sollte, war ich inspiriert, die Perspektive auf das Bild zu verändern. So entstand durch Zerstörung etwas Neues mit bereits Vorhandenem“.
So erklärt sich zunächst der ganz besondere Look, das offensichtlich Einmalige dieses Werkes, das mit Gouache-Farben gefertigt wurde. Diese deckenden Wasserfarben sind, wie Aquarell-Farben, eben auch nach der Trocknung noch gut wasserlöslich.
Meine Damen und Herren, kommen wir zurück zu dem seltenen Namen „Vincinette“! Dann erklärt sich auch das dargestellte Zerstörerische:
Der Name „Vincinette“ ist zunächst einmal die weibliche Form des Namens Vincent.
Aber was verbindet nun uns Hamburger mit diesem Namen?
Mancher von euch erinnert sich vielleicht inzwischen richtig: Die große Sturmflut von 1962 wurde nämlich von einem Orkan namens „Vincinette“ ausgelöst. Jeder Hamburger hat sofort die Fotos und Aufnahmen vor Augen von jener unfassbaren Katastrophe.
In der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 bricht eine schwere Sturmflut über Norddeutschland herein. Mit 130 Stundenkilometern fegt der Orkan „Vincinette“ über Norddeutschland hinweg.
Im Institut für Meteorologie und Geophysik in Berlin-Dahlem übrigens verpasste man dem Orkan den Namen „Vincinette“, getreu der damaligen Vorgabe, guten Wetterlagen immer männliche, schlechten dagegen weibliche Namen zu geben.
„Vincinette“ also – das bedeutet „die Siegreiche“, abgeleitet aus dem Lateinischen, von „vincere“, siegen.
Besonders schlimm traf es die Stadt Hamburg. Zahlreiche Deiche brechen, das Wasser überflutet ein Sechstel des Stadtgebiets der Hansestadt. Hier eine Visualisierung des Unvorstellbaren:
Wie man sich allein anhand dieser Grafik vorstellen kann: Auf Hamburger Gebiet gab es unzählige Opfer, Tausende werden obdachlos, verlieren im Hochwasser ihr Hab und Gut, ihr Zuhause. Innerstädtische Infrastrukturen lösten sich auf.
Fotos wie dieses kennt wohl jeder Hamburger:
Die Sturmflut von 1962 gilt aber auch als Initialzündung der politischen Karriere Helmut Schmidts.
Entschlossen reagiert der damalige Innen- und Polizeisenator Helmut Schmidt auf die Sturmflut in und um Hamburg im Februar 1962: Er ruft sogar die Bundeswehr zur Hilfe. Ein Novum!
Die Beteiligung der Bundeswehr an der Hilfsaktion ist nicht nur ein Novum, sondern zum damaligen Zeitpunkt auch verfassungswidrig:
Laut Grundgesetz durfte das Militär keine Aufgaben im Inneren übernehmen. Um die Rettungsaktionen voranzutreiben, setzt sich Schmidt bewusst über die Gesetzeslage hinweg:
„Wir haben uns nicht an Gesetz und Vorschriften gehalten, wir haben möglicherweise die Hamburger Verfassung verletzt, wir haben sicherlich am Grundgesetz vorbei operiert. Es war ein übergesetzlicher Notstand“,
so begründet Schmidt 20 Jahre später in einem Interview sein Vorgehen.
Auch Tausende von Zivilisten sind unermüdlich im Einsatz, manche Spuren der Flutkatastrophe kann man bis heute im Stadtgebiet erkennen, dieses Ausnahmeereignis brannte sich ein in unser kollektives Gedächtnis.
Hier ein weiteres Werk von Katrin, das sich ganz aktuell mit diesem Thema befasst:
Das großartige, monochrome Werk „Deichbruch“ aus 2023 von dir, liebe Katrin.
Doch: In der Rückschau und mit Jahrzehnten Abstand kann man allerdings sagen, dass „Vincinette“ neben den bestürzenden historischen Details wahrlich auch viel Positives bewirkt hat, denn:
„Die Siegreiche“ hat keineswegs gesiegt!“ Schon in Sachen Namensgebung beispielsweise nicht: Tiefs hatten tatsächlich früher nur weibliche Vornamen. Bis sage und schreibe 1997 hatten alle Tiefdruckgebiete grundsätzlich feminine Namen, alle Hochs männliche. Seit 1998 wird hier rotiert:
Heute erhalten nur in geraden Jahren Tiefdruckgebiete weibliche Vornamen, Hochdruckgebiete werden männliche Namen zugeordnet – in ungeraden Jahren ist es genau umgekehrt. Dieser gleichberechtigte Wechsel ist doch schon mal ein echter Fortschritt.
Die Flut-Katastrophe von 1962 war insgesamt eine Zäsur in der Geschichte Hamburgs: Das Deichkonzept wurde grundlegend überarbeitet und erneuert, die Deiche modernisiert und erhöht. Der Hochwasserschutz in Hamburg wird bis heute ständig kontrolliert und optimiert.
Die berühmte Architektin und Pritzker-Preisträgerin Zaha Hadid befasste sich zum Aufbau der HafenCity zuletzt intensiv mit dem Schutz des Stadtgebiets und schuf dahingehend an Kunstwerke erinnernde Bauwerke wie dieses:
Hochwasserschutz als architektonische Attraktion, meine Damen und Herren, welcher nicht zuletzt auch unsere Kunstkantine vor eventuellen Fluten schützt.
Wer allerdings in Hamburg lebt, ist daran gewöhnt, dass man im Herbst und im Winter in Hafennähe bei ungünstiger Witterung nasse Füße bekommen kann.
Keine Frage: Wer sein Auto am Fischmarkt parkt, wenn der Wind das Wasser von der Nordsee in die Helgoländer Bucht und die Elbe drückt, darf sich nicht wundern, wenn es absäuft. Den ganz großen Schrecken haben die Sturmfluten zum Glück in den letzten 60 Jahren verloren, wir fühlen uns geschützt und abgesichert. Immer wieder aber sind die Wassermassen natürlich Thema für die Medien, für Schaulustige und ganz klar auch für Künstler – hier das Werk „Zeynep“ von dir, liebe Katrin:
Eindeutig inspiriert von der letzten Sturmflut im Februar 2022 hier bei uns. Der Name des Sturms stammt hier aus dem Arabischen und bedeutet „Schmuck“. So kann auch ein Sturm heute seine Schrecken verlieren, durch hohe, schmückende Deiche, schmückende Namen und ein Schmuck kann auch dieses tolle Gemälde von dir sein, liebe Katrin, eine moderne, aktuelle Hamburgensie.
Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, zögern Sie daher nicht: Ansprechpartnerin für den Erwerb von Katrins Werken ist Nissi, stöbern Sie aber auch gerne mal in unserem neuen Katalog oder online in Nissis Art Gallery.
Nun zurück nochmal ins Jahr 1962:
Nicht nur die große Sturmflut prägte das Jahr, auch die Kubakrise, die SPIEGEL-Affäre fanden statt, die Studenten organisierten sich, der Wiederaufbau Deutschlands nach dem Krieg wurde sichtbar, Vieles wurde freier, schöner, schicker. Es ging bergauf!
Dieses Jahr sollte in vielerlei Hinsicht in die Geschichtsbücher eingehen, ein ereignisreiche Jahr, in dem z.B. Marilyn Monroe starb, die Rolling Stones ihre Band gründeten und die Beatles ihre erste Platte aufnahmen. Aber vorher schon spielten sie live in Hamburg, wie wir alle wissen. Auch das prägte das Leben in unserer Stadt.
Nach der Flut wurde es Sommer, die Kriegsruinen und Folgen des Orkans waren noch nicht gänzlich aus Hamburgs Stadtbild verschwunden, die Stadt aber und ganz besonders der Kiez befand sich in einer unbeschreiblich inspirierenden Aufbruchsstimmung.
Es wurde wieder gelebt!
Dieses Feiernkönnen, frei und jung sein, modern und weltoffen, dieses Lebensgefühl, welches man auch immer mit Hamburg verbindet, kam damals auf und rasch in Fahrt, und dieser Spirit hält sich gerade in unserer Hansestadt so wunderbar spürbar und beharrlich bis heute.
Dieses Lebensgefühl, meine Damen und Herren, spiegelt Katrins vielfältiges Werk ebenso wieder, hier das Werk „Fun“ von ihr:
Dieses ebenfalls monochrome Werk ist eine Ode an die Jugend, ebenso wie ein weiteres Werk aus dieser Serie, „Blackdots“:
Das Zitat von Manfred Kessel
„Die Jugend verachtet die Folgen, darauf beruht ihre Stärke“
passt hier so gut, nur:
Ist das denn noch so?
Angesichts der Informationsflut, der Krisen, von Pandemie und Krieg befürchtet nicht nur unsere Künstlerin Katrin Sefaj, dass die Unbeschwertheit der Jugend an sich nicht selbstverständlich ist und schaut man zurück über die Jahrzehnte, wie wir es eben taten, war es wohl auch nie eine wirkliche Selbstverständlichkeit.
Hier passt der Titel eines wunderbaren weiteren Werkes von Katrin, übrigens gefertigt mit Öl auf Leinwand, mit dem ebenso immer aktuellen wie auch jugendlichen Titel: „Peace“
Unbeschwerte Momente, meine Damen und Herren, die gibt es immer wieder, genießen wir sie, denn es gibt sie ein Leben lang, sie sind keinesfalls der Jugend vorbehalten! Zum Beispiel jetzt und hier.
Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, mit dem Erwerb eines Werks von Katrin erhalten Sie, meine Damen und Herren, zumindest etwas besonders kraftvolles Neues, etwas Hamburgisches für Ihr Zuhause oder auch mal für Ihr Büro!
Die Ausstellung läuft noch bis zum 05. Juli, aber zögern Sie nicht zu lange, denn die einzigartigen modernen Gemälde von Katrin sind sehr begehrt und sie freut sich, wenn sie Anderen mit ihren spannenden Werken eine Freude machen kann. Machen Sie sich auch selbst einfach mal wieder eine Freude, ich sage nur:
Fun and Peace!
Also, meine Lieben, das waren für heute die Schlussworte, vielen Dank fürs Zuhören! Wir hoffen, wir haben Bernd Roloff ganz gut vertreten und wünschen euch Allen einen schönen Abend!
Betty Köhler und Thomas Lüdecke
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