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Wissensbilder Neo-Konstruktiv

Einladung

Rückseite

Die Formatierungen der Laudatios werden derzeit überarbeitet. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Laudatio

Einladung EroeffnungEinladungstext EroeffnungVernissage Michael Mattern und

Eröffnung Nissis Kunstkantine 01.03.2013

Laudatio Bernd Roloff

Liebe Gäste, liebe Freunde,

der heutige Tag verbindet 2 Ereignisse.

Zum Einen feiern wir heute die Eröffnung von Nissis Kunstkantine, zum Anderen schieben wir mit einer Vernissage die Ausstellung von Michael Mattern an.

Herzlich Willkommen also zu diesem schönen Doppelereignis.

Bevor ich von der Herkunft und dem Sinn von Matterns Kunst weitschweifend, ja ausschweifend, erzähle, möchte ich kurz das Konzept eines Galeriecafés erläutern.

Ein Galeriecafé soll ein entspanntes Kunsterlebnis vermitteln. Zuerst macht man einen Rundgang. Dann kann man sich mit einem Stück Kuchen und einer Tasse Café so positionieren, dass man in Ruhe sein Lieblingsbild betrachten kann.

Anschließend isst und trinkt man sich es noch schöner als man es sowieso schon fand und wenn die Rechnung für Café und Kuchen gebracht wird, fragt man diskret nach dem Preis. Ist dieser kein Problem, sollte man seinem Kaufimpuls folgen, schon mal was anzahlen und am nächsten Tag das Restgeld bringen.

Ich wünsche Dir, liebe Nissi, jeden Tag mindestens 3 solcher Kunden, Menschen von Geist und Lebensart, die auf Basis vorhandenener Liquidität schnelle Entscheidungen treffen können.

Ist man sich unsicher über das Bild oder den Preis, kann man bei Gelegenheit wiederkommen, sich wieder mit einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen vor dem Bild positionieren und wieder neu nachdenken. Oder man bringt seinen Freund oder Partner mit und beide setzten sich vor das Bild und diskutieren darüber, ob man es kaufen sollte, wohin es passt, wem man vielleicht eine Freude damit machen kann und ob man es in einem halben Jahr auch noch ansehen mag.

Durchaus möglich ist auch gar nichts zu kaufen und sich über den Unsinn oder Sinn der betrachteten Kunst müßige Gedanken zu machen. Innere Betrachtungen und Überlegungen anzustellen wird immer interessanter sein, als auf den Fernseher in einer Sportbar zu schauen und nachzuzählen wieviel Runden Klitschko für den nächsten KO braucht oder mit wie viel Toren der Gegner von Bayern München gerade wieder untergeht.

Damit ist zugleich gesagt, dass ein Galeriecafé ein wunderbarer Ort für den Müßiggang ist. Wir sind hier umgeben von Konzernzentralen. Die Hafencity ist kein Ponyhof. Hier sollen Budgets eingehalten werden und Unternehmensziele erreicht und verbessert werden. Hier wird Stress und Geld gemacht. Nissis Kunstkantine kann in diesem Kontext ein Ort des Rückzugs sein. Hier kann man sich jeden Tag eine halbe Stunde zurückziehen, auf gute Kunst sehen und in Ruhe gelassen werden.

Die Kunst, mit der ich sie in den folgenden Minuten nicht in Ruhe lasse, ist die Kunst von Michael Mattern. Was sehen wir nun hier, und was soll das Ganze meine Damen und Herren ?

Heute Abend halte ich mal nichts davon, beliebig zu bleiben und von der Schönheit zu schwafeln, die im Auge des Betrachters liegt.

Wenn wir unser Mobiltelefon heute abend noch auseinandernehmen oder im Zustand gehobener Lebensfreude das Heizkraftwerk von Vattenfall vis á vis abreißen, dann finden wir darin Bestandteile vor, über deren Bauform und technische Wirksamkeit sich vermutlich mehr Menschen Gedanken gemacht haben, als über die äußere Form.

Dieser inneren Form der Dinge widmet sich Mattern.

Seine Kunst entlehnt ihre Elemente aus Konstruktionszeichnungen, Bauplänen, Prozessabbildungen, Mustern, Grundrissen, Anleitungen, Skizzen und anderen Bildgebungen, die sich nicht mit der äußeren Form, sondern eben mit den Internas der Dinge beschäftigen.

Diese Elemente müssen erstmal ausgegraben werden. Grabungsstätte sind ohne Diskriminierung nach Preis oder Herkunft alle zeitgenössischen Konsum- und Investitionsgüter, vom Stabsauger über den Kühlschrank bis zur Kläranlage sozusagen.

Die so gesammelten Artefakte aus dem Inneren der Technik, werden dann selektiert, z.B. danach, ob sich aus Ihnen eine Symbolik ableiten lässt, oder danach ob in Ihnen eine Grundform des Kostruktivismus vorhanden ist also Kreis, Dreieck, Quadrat usw. Manchmal ist beides vorhanden, also Symbolik und Grundform :

Dafür möchte ich jetzt 2 Beispiele geben, in denen sich Symbolik und Konstruktive Grundformen wiederfinden. Besonders in der HafenCity finden sie folgende Form sehr sehr häufig :

Halteverbotsschild

Wir haben hier 2 Grundformen nämlich einen Kreis und einen Balken.

Angenommen wie wären heute hier alle Mitglieder eines Stammes aus dem brasilianischen Urwald, dann können wir nicht mehr dazu sagen als Schöner Kreis, Schöner Balken, schöne Farben. Es ist unsere Konditionierung auf das Symbol, das ihm in diesem Fall eine abschreckende Bedeutung gibt.

Nächstes Beispiel :

Logo Deutsche Bank AG

Hier haben wir jetzt einen Balken in einem Quadrat : Ihr erkennt bestimmt alle was es ist, es ist das Logo einer Großbank! Führen wir uns einmal zu Gemüte was es nach Auffassung der „Group Brand Communications“ bedeuten soll :

Der „Schrägstrich im Quadrat“ – so die konstruktionsbezogene
Bezeichnung, entspricht allen Qualitätskriterien einer erfolgreichen Marke:
Durch seine einfache, plakative Gestalt hat das Logo einen hohen
Aufmerksamkeits- und Erinnerungswert.

Das Logo unterstützt die Identität der Deutschen Bank: der „Schrägstrich”
steht für kontinuierliches Wachstum und eine dynamische Entwicklung,
das umrahmende Quadrat für Sicherheit und ein kontrolliertes Umfeld.

Zusammengefaßt symbolisiert das Logo somit kontinuierliches,
dynamisches Wachstum in einem sicheren Umfeld.

Wachstum in einem stabilen Umfeld.

Hier haben wir also zwei ganz einfache Formen : Balken und Quadrat. So wie die beiden Formen angeordnet sind, sollen Sie etwas ganz spezifisch positives Ausdrücken

„Wachstum in einem stabilen Umfeld“

Etwas Besseres kann es doch gar nicht geben. „Wachstum ja, toll, aber bitte auch in einem stabilen Umfeld“

Christian Kracht, würde im „Faserland“-Stil kommentieren :

„Die Agentur hat dann drei Millionen Mark eingestrichen, und alle sind mit ihren Armani-Sakkos und ihren bunten Brillen in die Toskana gefahren, Chianti trinken und Lebensgefühl tanken. Unfaßbar. Aber so war das vermutlich.“

(Faserland, Roman, Christian Kracht 1995)

Ich würde sagen die Deutung ist nicht ganz zwingend. Kucken wir uns das Logo nochmal genauer an :

Die Deutung könnte auch sein :

Wir bilden den Rahmen für Ihre schrägen Geschäfte.

Ich sehe jetzt einige lächeln oder doch schmunzeln. Hören Sie sofort damit auf, ich bin hier gerade in meiner Rede mit dem künstlerischen Teil der Veranstaltung befasst.

In einer Vernissage empfiehlt sich ein skeptisches, besser noch leicht mürrisches, auf jeden Fall aber gelehriges Mienenspiel, das der Tragweite des Vorgangs angemessen ist. Besonders gut kommt gelegentliches Kopfschütteln mit zugespitztem Mund. Der Profi legt vor den Gemälden den Kopf leicht schief und wippt sachte in den Knien.

Ich hatte nun eben geschildert, dass Mattern das Innere Der Dinge nach außen kehrt, einige Elemente entnimmt, sie würdigt und was passiert jetzt meine Damen und Herren ?

Mattern ordnet die im inneren gefundenen Elemente neu an, so dass sich etwas Neues ergibt. Im Moment meine Damen und Herren, bin ich fasziniert von dem Bild dort drüben. Mattern hat ein inneres Bauteil gefunden, dass für mich wie eine Stier aussieht. Dieses Bauteil wird nun repliziert und eine überlappende Anordnung gewählt, wie bei einer Herde. Voila, es hat sich etwas ganz Neues ergeben.

Wie kommt nun jemand dazu, so vorzugehen ?

So mancher könnte meinen, hach, da hatte der Künstler so zwischendurch eine nette Idee und das macht er dann so weiter, weil es ihm dann so gefällt.

So war es nicht, meine Damen und Herren.
Es war keine Komödie !

Michel Houellebecq lässt in seinem Roman „Elementarteilchen“ (1998) einen Protagonisten auftreten, der meint, dass „die Lösung aller Probleme -einschließlich der psychologischen, soziologischen und gemeinhin menschlichen Probleme- nur technischer Natur sein“ könne.

Will uns also Mattern die Interna der Technik nahebringen, damit wir uns an sie rankuscheln können mit ihr vertrauter werden, ja ihr vertrauen.

Nein, so war es auch nicht, meine Damen und Herren !

Nächste Möglichkeit : Ästhetik für hinter dem Chefschreibtisch, Know your Customer sozusagen Bildgebung für die Komplexität von Abläufen in Einkauf, Verkauf, Logistik, Rechnungswesen, Forschung und Entwicklung und allem Sonstigen zu dessen Beherrschung die Bosse der HafenCity angetreten sind. Mattern in King Size an der Wand, Chefsessel davor, bezogen mit handschuhweichem Büffelleder, daraufsitzend der vor allem hart arbeitende Manager.

Nein so war es auch nicht, es war viel dramatischer.

Michael Mattern arbeitete in der Kreativabteilung eines Verlagshauses. Es hielt die digitale Revolution Einzug und ihm war klar, dass der Einzug der Computer seine Arbeitswelt völlig verändern würde. Er war der Meinung, dass er im digitalen Umfeld seine gestalterische Kompetenz nicht mehr würde umsetzen können. Seine individuelle Inspiration, die ihn zum Arbeiten antrieb, vertrug sich nicht mit dem Einzug der neuen Techniken.

Eine Krise ist definiert als eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation.

Und nun fand das statt, was ich ihnen vorhin beschrieben habe. Mattern studierte seinen Feind und zwar von innen und erkannte in den Internas der Technik ästhetische Strukturen und dachte sich aha, damit kann ich etwas anfangen. Ich reiße sie von innen nach außen und stelle sie dar und wenn ich mit dir fertig bin, liebe Technik, dann habe ich aus dir etwas Neues geschaffen. Und hinter dem, was ich dann neu geschaffen habe kann ich wieder stehen. Es entspricht dann wieder meiner Inspiration.

Im Endeffekt spiegelt also jedes Bild hier meine Damen und Herren, den Sieg von Mattern über das wieder, was ihn zunächst befremdete, verstörte, ja in seiner Kreativität bedrohte.

Wie ich finde, eine sehr spannende Story.

Was Sie hier also an den Wänden sehen, ist gerade keine Heroisierung der Technik. Mattern hat seinen Feind in Einzelteile zerlegt, und aus ihm etwas Neues geschaffen, dem Feind sozusagen seine DNA injiziert, damit aus ihm etwas Neues wird, das wir gebrauchen können.

Matterns Kunst kann für uns alle also ein Ausdruck einer Strategie oder eines Strategems sein.

Wenn der Feind vor der Tür steht, sehen wir uns seine Interna an, reißen ihm das Wichtigste raus und machen dann unser eigenes Ding davon.

*****

Die Kunstkantine wird auch ihr eigenes Ding machen.

In unserer Zeit wird mehr Kunst produziert, als es historisch gesehen, jemals der Fall war. Immer schwieriger wird die Entscheidung wo und wie und wo wir unsere eigene Aufmerksamkeit investieren wollen und immer komplizierter die Aufgabe, die gewünschte Aufmerksamkeit bei anderen zu wecken. In dieser „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ kommt an, was polarisiert.

In diesem Sinne beginnen wir Galeriegeschichte von Nissis Kunstkantine nicht mit einer „leichten Muse“ sondern mit dem eher schwierigen und kämpferischen Werk von Michael Mattern. Vielen Dank lieber Michael, dass du mitgemacht hast.

Wir wollten mit der Mattern-Ausstellung keine Dekoration ausführen, aber dennoch ergibt sich für mich hier heute abend eine höchst angenehme Atmosphäre eleganter Modernität mit einem Schuss Experiment darin.

Wir sind hier in der HafenCity, einem Stadtteil der am Reissbrett entstanden ist, von dem man noch nicht weiss, ob er im Endeffekt dass an Urbanität erzeugt, was man von ihm erwartet. Vielleicht kommt der eine oder andere Gast heute abend über die Fansite von Nissis Kunstkantine auf Facebook, einer Firma von der wir alle noch vor ein paar Jahren nicht wußten, was man mit Ihrem „Social Networking“ so alles anfangen kann. Es könnte sein, dass in absehbarer Zeit da vorne am Kreuzfahrtterminal Passagiere von Bord gehen, ihre Google-Brille aufsetzen und dann auf Basis eingeblendeter Meldungen den Weg zu Nissis Kunstkantine finden und das was sie sehen, mit anderen Nutzern teilen.

Insofern darf ich Sie bitten, diese Athmosphäre eleganter Modernität und Aktualität heute in sich aufzutanken, ihre Eindrücke zu sammeln und mit nach Hause zu nehmen. Sie haben immer einen vollen Tank, wenn sie sich ein Bild von Mattern kaufen.

Aber sie können auch jederzeit hier von 10-16 Uhr nachtanken, in dem sie das gastronomische Angebot von Nissis Kunstkantine nutzen. Bis zum 14. April liefern wir hier noch den gleichen Kraftstoff. Packen sie sich Mattern und köstliches Chili con Carne in den Tank.

Und sorgen Sie bei Nissis Kunstkantine für

„Wachstum in einem stabilen Umfeld“

*****

Jetzt darf ich Ihnen noch viel Spaß und gute Gespräche wünschen. Herzlichen Dank für Eure Aufmerksamkeit und eine gute Zeit für alle

 

Vernissage der Ausstellung "Wissensbilder Neo-Konstruktiv"

Exponate der Ausstellung "Wissensbilder Neo-Konstruktiv"

Nissis Kunstkantine

Kunstgalerie & Eventlocation
Am Dalmannkai 6
20457 Hamburg (HafenCity)

Mo – Sa 11:30 – 16:30 Uhr
Und nach Vereinbarung

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