Laudatio „Sonntagsmalerei“ 28.08.2024
Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste,
willkommen im
Bernsteinzimmer der HafenCity!
Mein Name ist Roloff, Bernd Roloff, ich bin der Keynote-Speaker der
Kunstkantine und darf euch heute auf das Herzlichste begrüßen, zur 96. Vernissage in Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013.
Die Vernissage gilt den Werken von Mike Sonntag
und wird verziert mit dem Motto „Sonntagsmalerei“.
Zu meiner Rechten, durchschlagskräftig wie immer, ein Traum in Blond. Der einzige fahrplanmäßige Zug zur guten Kunst, meine Assistentin Betty, die meinen Vortrag durch unterhaltsame Exponate illustrieren wird.
Beim ersten Kontakt mit dem Werk von Mike, bei Durchsicht von 42 Arbeitenm
stieg in mir, warum auch immer, das Bild eines Kunstwerkes auf, das ich vor 9
Jahren in Berlin betrachtet habe. Das Werk gilt als der Durchbruch des Malers
und machte ihn über Nacht weltweit bekannt.
Das Werk ist 6 Meter lang und 2 Meter 50 hoch. Vielleicht hat mein Verstand
eine Summe des prismatischen Werkes von Mike gezogen.
Biografisch kann die Vita beider Künstler nicht unterschiedlicher sein.
Mike, 1965 geboren, jetzt also 59 Jahre alt, Triathlet und Mountainbiker,
bürgerlich ist er Konditor und Kaufmann. Der Maler des gezeigten Bildes, ohne
bürgerlichen Beruf und bekannt für seinen Alkoholismus, verunglückte schon
mit 44 Jahren bei einem Autounfall tödlich. Jackson Pollock hat aber diverse
Preise für seinen Apfelkuchen empfangen. Hier also wieder eine Parallele in
den Biografien.
Ja, meine Damen und Herren, Jackson Pollock oder Mike Sonntag:
“What makes a good man? Tell me now and show me how!”
In der Mitte das „Eismeer“ von Caspar David Friedrich, eingebettet in Nr. 4 und
Nr. 5 von Mike. Der abstrakte Künstler gibt seinen Werken Nummern als Titel,
um die Assoziationen des Rezipienten nicht in eine bestimmte Richtung zu
lenken.
Ansonsten besticht Caspar David Friedrich mit folgendem Zitat:
„Der Maler soll nicht bloß malen,
was er vor sich sieht,
sondern auch, was er in sich sieht.
Sieht er aber nichts in sich,
so unterlasse er auch zu malen,
was er vor sich sieht.“
Das wollen wir noch mal wiederholen:
„Der Maler soll nicht bloß malen,
was er vor sich sieht,
sondern auch, was er in sich sieht.
Sieht er aber nichts in sich,
so unterlasse er auch zu malen,
was er vor sich sieht.“
Eine treffendere Bezeichnung des künstlerischen Charakters an sich hab ich
ehrlich gesagt noch nie gehört.
Meine Damen und Herren, die Türen zum Glück gehen nach innen auf. Und was
finden wir da vor? Gute Frage.
Mike hat in sich den Stoff gefunden, aus dem die Künstler sind. Er spricht dazu
über sich selbst im Kontext von Hochsensibilität. Dies ist keine pathologische
Veranlagung, aber die hochsensiblen Kandidaten gehen durchs Leben wie eine
Antenne, so ist meine Erfahrung. Mike spricht über seine Veranlagung wie
folgt:
„Bei mir ist Hochsensibilität nicht krankhaft, ich bin halt ein wenig
aufmerksamer als andere und sehe Dinge, die andere leicht übersehen.
Manchmal macht mir der Perfektionismus ein wenig Stress, dass stört
dann und belastet auch andere. Ein großer Vorteil ist, dass die meisten
Menschen mit mir sehr gut auskommen und auch gerne zu mir
kommen, um sich mal auszusprechen.“
Die Kunstkantine kann sich freuen, dass Mike zu der Veranstaltung von Kunst
auf Rädern am 7. September spontan eine Collage angefertigt hat.
Ja, meine Damen und Herren, für die Garage oder fürs Herrenzimmer würde
man sagen ist der richtige Platzierungsort. Und dazu ein herrlich politisch
unkorrektes Machwerk. Herrn Habeck können wir es nicht schenken. Herrn
Ganserer konnten wir es schenken, solange er ein Herr war. Ungelöst ist bis
heute das Problem, was aus einem Herrenzimmer wird, wenn der Herr das
Geschlecht wechselt.
Kommen wir zu dem Design-Element in der Collage, den sogenannten Gulf-Look, rechts unten. Der Gulf-Look gehört zu den wichtigsten Merchandising-
und Produktgestaltungen für Lifestyle-Objekte und für Alles, was fährt. Hier ein
Kühlschrank fürs Herrenzimmer:
Es hat was Heimeliges. Der Platzbedarf wird zu 90 % mit Dosenbier gedeckt.
Der Rest sind tiefgekühlte Hamburger. Der Mann liebt Fleisch, am Besten
blutig, so dass das Steak von selbst auf den Teller klettert.
Diese Laudatio, meine Lieben, hatte etwas Unbequemes an sich. Ich weiß. Aber
dadurch passt sie in die Zeit.
Bequem hat es sich Mike Sonntag auch nicht gemacht. Mit 59 etwas ganz
Neues anzufangen, dafür braucht es Mut. Dafür braucht es auch Ermutigung.
Die richtige Ermutigung für den Künstler sind nicht bramarbasierende Reden,
sondern der Klang barer Münze.