Laudatio Rita Basios-Schlünz, Nissis Kunstkantine, 22.08.2018 Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste, willkommen im Bernsteinzimmer der HafenCity. Mein Name ist Bernd Roloff, ich bin der Keynote – Speaker der Kunstkantine und darf Euch heute auf das Herzlichste begrüßen zur 43. Vernissage von Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013.
- Vernissage, meine Damen und Herren, wir gehen also stramm auf die Fünfzigste zu. Wer hätte das gedacht meine Damen und Herren, geht doch die HafenCtity als Hamburgs heißestes Pflaster für Insolvenzen. Aber die Kunstkantine ist hier eben der Fackelträger für gute Künstler, meine Damen und Herren und entflammt immer wieder den Geist seiner Gäste und Freunde für die unterschiedlichsten Sujets. Eben hatten wir noch einen Japanischen Künstler mit „Ruhrpott Ninjas“ und Samurais an den Wänden, schon entschleiern wir uns wieder von allem Exotischen und widmen uns dem Heimatlichen und Authentischen. Wir bewegen uns jetzt hin zu Seestücken und der Marinemalerei.
Unsere Ausstellung gilt den Werken von Rita Basios-Schlünz und steht unter dem Motto „Kleine Schiffe … große Pötte“ und sie wird von heute bis zum 25. September hier zu sehen sein. In den folgenden Minuten weht Ihnen, meine Damen und Herren, die frische Brise meines anekdotenreichen Einführungsvortrages, die sog. Laudatio, entgegen. An meiner rechten Seite, wie immer auch rechtzeitig startbereit, meine Assistentin Betty, die durch das Hochhalten von Hardcopys den akustischen Vortrag durch visuelles Anschauungsmaterial arrondiert. Mein letzter Kontakt zur Marinemalerei war erst vor knapp 2 Wochen. Ich habe meinen Nachwuchs in London durch die Museen geschleift. Ein paar Bilder von William Turner muss man mal gesehen haben. Man kann auch so schön was erklären, Turner als Vorläufer des Impressionismus, die Luft auf den Bildern leicht gelb gefärbt, wegen eines Vulkanstaubes in der Luft zu derzeit und so. Da hören die Kids auch mal zu, wenn man was sagt. Und im British Museum gibt es sogar eine Pizzeria, was will man mehr. Fans der Marinemalerei gelten als eher „pütscherig“ wie man in Hamburg sagt. Alle Details müssen stimmen: Darstellung der Wellen, Lage des Schiffes, Wolkenbildung; bei Segelschiffen: Anzahl der Segel und Segelstellung usw. Insofern erfreut mich schon der drollige Titel der Ausstellung „Kleine Schiffe … große Pötte“ Für den pütscherigen Aficionado der Marinemalerei stellt sich doch schon die Frage, ob man mit dem Begriff „Pötte“ Schiffe bezeichnen kann. Ein Pott gehört ja nun mal als Topf auf den Herd. Kann man mit „Pott“ also auch ein größeres Wasserfahrzeug bezeichnen. Antwort laut Duden: „Ja“! Und was bedeutet „kleines Schiff“? Ist ein kleines Schiff nicht eher ein Boot? Überwiegend wird die Frage „Schiff oder Boot“ danach entschieden, ob das Wasserfahrzeug ein Deck hat. Ein Ruderboot kann sich jeder vorstellen. Aber was ist hiermit: Jeder würde Motorboot dazu sagen. Aber es hat doch ein Deck. Also ist es doch wohl eher ein Motorschiff. Ein ausgesprochen schönes im Übrigen. So eins hätte ich auch gern. Es ist ein RIVA Boot. Riva Boote gehören in die Welt der Reichen und Schönen. Eine halbe Million sollte man schon mitbringen. Dann kann man sich wie George Clooney damit fotografieren. Prost Nescafé, what else? Aber bleiben wir nochmal bei den Definitionsfragen. Rita hat mir geschrieben, dass sie einen Faible für dicke Containerschiffe hat, ihre Größe und Macht fasziniert sie. Nehmen wir uns also mal das Werk Containerschiff auf der Elbe vor Blankenese vor. Der große Pott ist natürlich klar ein Schiff. Der Schlepper davor auch. Der Segler davor scheint eher ein Boot zu sein. Ich sehe da nichts von einem Deck. Da vorne im Bug scheinen noch Menschen rumzulaufen. Nee kein Deck vorhanden, dass ist also ein Boot mit Segeln, ein Segelboot. Geht doch nichts über gute Definitionen und Ihre Anwendung. Das Containerschiff befindet sich auf der Elbe vor Blankenese. Rita hat sich den Titel Die Elbmalerin zugelegt. Das hat biografische Gründe, aber auch künstlerische. Z.B. enthält die Grundierung ihrer Bilder Elbsand! Das ist ja mal was Neues und Kreatives. Da die Bilder noch etwas anderes als Farbe enthalten, sind sie im Grunde sog. „Materialbilder“, also Gemälde aus der „Special Effects“-Abteilung. Rita schreibt mir zur Elbsandbeimischung: „Die Farben verändern sich dadurch und es entsteht mehr Tiefe … ich finde, man muss in ein Bild „reingehen“ können … das ist wichtig für mich, es darf nicht durch die Leinwand … bis hierher und nicht weiter “ begrenzt werden …“ Sand also, meine Damen und Herren, hat ja von sich aus schon eine poetische Komponente. Z.B. beschäftigten sich 2 Urgesteine des deutschen Schlagers mit Sand. Bata Illic sang: „Ich hab´ noch Sand in den Schuhen aus Hawaiiii!“ Howard Carpendale konterte mit: „Deine Spuren im Sand!“
Mit Kies funktioniert das nicht. Kies im Schuh macht unruhig und im Kies hinterlässt man kaum Spuren. Außerdem singt sich Kies schlecht. Unterschied zwischen Kies und Sand: Die Korngröße! Korn größer als 2 mm, dann haben wir Kies, Korn kleiner als 2 mm, dann haben wir Sand. Eben alles eine Definitionsfrage: Schiff und Boot, Kies und Sand. Wenn Sie ein Bild an der Wand haben, das mit Elbsand grundiert ist, dann haben Sie garantiert auch einigen der wunderbarsten Lebewesen auf unserem Planeten ein neues Zuhause gegeben. Zwischen den Sandkörnern ist nämlich immer was los. Da ist ein sehr berühmtes Tierchen, das zwischen Sandkörnern lebt. Ja, ja, meine Damen und Herren, vielleicht haben wir hier einen Experten der sog. Sandlückenfauna unter uns der genau weiß, wovon ich spreche. Das Tierchen ist ein absoluter Star der Biologie. Ich spreche vom sog. Bärtierchen! Hier ein Bild dieses possierlichen kleinen Kerls, der meistens kleiner ist als ein halber Millimeter! Pro Kubikzentimeter Sand leben im Schnitt 35 Bärtierchen. Also sind sicher noch ein paar Kollegen mit auf der Leinwand. Bärtierchen sind nicht kaputtzukriegen. Strahlen- und kälteresistent sind sie und wirklich Sauerstoff oder Futter brauchen sie auch nicht. So ein wenig einkleistern in Farbe ist völlig unschädlich für das Bärtierchen. Es kann sogar im kalten Weltraum ohne Sauerstoff überleben. Es stellt sich dann tot, tut nichts, braucht nichts und wartet auf bessere Zeiten. Das Bärtierchen ist einfach eine sehr inspirierende Spezies. Es hatte sogar seine eigene Geschichte in einer „Star Trek“-Folge : Bei der Konzeption der entsprechenden Staffel von Star Trek war sogar erwogen worden, das Bärtierchen in die Brückenbesatzung des Raumschiffs zu befördern. Wenn Sie sich also ein Bild von Rita an die Wand hängen, dann geben sie auch dem Bärtierchen einen würdigen Platz. Wenn Sie sich für Kunstwerke der Marinemalerei entscheiden, haben Sie auch generell immer was zu erzählen, wenn Besuch kommt. Bei Werken von Rita, der Elbmalerin, können sie nun schon mal über die Grundierung mit Elbsand und über die Sandlückenfauna und das Bärtierchen sprechen, auch wenn Sie von Schiffen keine Ahnung haben. Ahnungslos über Wasserfahrzeuge können Sie auch über die Elbe sprechen. Schließlich haben Sie ein Bild von der Elbmalerin erstanden. Wer in Hamburg genügend Benzin im Tank hat, wohnt entweder an der Alster oder an der Elbe, möglichst mit Alster- oder Elbblick. Elbblick natürlich von der richtigen Seite, also von Norden nach Süden aus den sog. „Elbvororten“, Flottbek, Othmarschen, Nienstedten und so weiter. Alsterblick, so die Auffassung der dortigen Elbvorortler, ist eher was für Kombifahrer, Beckenrandschwimmer, Saunauntensitzer und Urlaubsort-wiederholer. Wer Elbblick von Norden hat, der kuckt auf den wilden Fluss, mit Schiffen drauf. Am anderen Ufer ist Airbus und dahinter beginnt dann schon irgendwie Norditalien und bald dann schon Afrika. Bis 1989 bildete die Elbe auf 93 Kilometern die Grenze zur DDR. Unser Alt-Bundeskanzler Adenauer meinte deswegen, dass östlich der Elbe die asiatische Steppe beginnen würde. Nordufer der Elbe also Zivilisation, südlich der Elbe ist Urwald. Ich hatte eben meinen Vortrag durch eine Episode über die Sandlückenfauna des Elbstrandes aufgelockert. Sie erinnern sich an das Bärtierchen, nicht wahr? Wenn Sie am Ende meines Vortrags ordentlich klatschen, dann erzähle ich noch einen Witz. Einen Witz über die Sandoberflächenfauna. Es kommen vor: Ein Hase und ein Bieber vom nördlichen Elbufer und ein Flusspferd vom südlichen Elbufer, also aus Afrika. Der Hase hat sich im Florapark einen ordentlichen Kanten Haschisch besorgt. Was dann passiert ist Gegenstand meines Witzes. Nun wir werden sehen. Zuerst möchte ich noch über 2 Bilder von Rita sprechen, die ich wichtig finde. Da wäre zum einen „Cap San Diego vor Elbphilharmonie“: Wenn Sie ein typischer Fan der Marinemalerei sind, dann kucken Sie erstmal nach, ob denn die Aufbauten der Cap San Diego richtig wieder gegeben sind. Es müssen vorzufinden sein: sechzehn Ladebäume, zwei Bordkrane und ein Schwergutbaum. Aber was ist das wirklich Interessante? Die Elbphilharmonie steht auf dem Kaiserspeicher. Der Kaiserspeicher verlor seine Funktion, als die Containerwirtschaft aufkam. Das gleiche gilt für die Cap San Diego. Sie war ein Stückgutfrachter und es gab für Sie nichts mehr zu tun. Beide Motive haben eine neue Funktion bekommen. Aus dem Kaiserspeicher wurde ein Konzerthaus, aus der Cap San Diego wurde ein Museumsschiff. Beides angenehme Verwandlungen durch Steuergelder. „Gefällt mir sehr gut … das Alte geht, das Neue kommt …“ schreibt mir Rita zur HafenCity im Allgemeinen. Alles verursacht durch das Aufkommen der Containerwirtschaft. Der Bauboom für Container und Containerschiffe dürfte jetzt erstmal vorbei sein. Hier haben wir mal ein Bild von einem Containerschiff auf der Elbe: Was fällt uns an Nichtmalerischem dazu ein? Nun die HSH Nordbank war zeitweise der größte Schiffsfinanzierer der Welt. Allgemein sprach man vom „stupid german money“. Als dann die Überkapazitäten entstanden, musste ein zweistelliger Milliardenbetrag aufgebracht werden, um die Bank zu retten. Dagegen ist der Aufwand an Steuern für die Cap San Diego oder die Elbphilharmonie geradezu lachhaft. Gab ja auch Idioten, die sich Schiffsbeteiligungen andrehen ließen. Ich zum Beispiel, von Münchmeyer Private Capital, domiziliert immer noch in hanseatischer Bestlage an der Palmaille. Nicht eine einzige Prospektaussage ist eingetroffen, alles nur Blabla. Ich habe meine Beteiligung am Zweitmarkt abstoßen können. Den restlichen Schaden klage ich ein. Und wie sieht es mit der Geldanlage in Containern aus? „Der Anlageskandal um die Münchener P&R-Gruppe sprengt alle Dimensionen, die im an Skandalen und Affären wahrlich nicht armen grauen Kapitalmarkt Deutschlands bisher bekannt waren. Schadenssumme 3,5 Milliarden Euro, 54.000 geschädigte Anleger“, schreibt das Manager Magazin. Ganz schön viel Kies, meine Damen und Herren. Was ich damit sagen will: Man muss die Bilder von Rita nicht unbedingt aus dem Blickwinkel der Marinemalerei und der Ästhetik ansehen. Die Bildwürdigkeit der Motive kann sich auch aus ganz anderen Gründen ergeben. Historie, Wirtschaft, Wirtschaftshistorie oder eben die gute Gesellschaft von Bärtierchen. Rita trennt sich schwer von Ihren Werken. Aufgewachsen mit Blick auf die Elbe, der Opa Leuchtturmwärter, Kapitänsgattin. Schiffe, Hafen, die Elbe sind ein Teil von Ihr. Andererseits freut es Sie, wenn der Käufer Freude hat. Mit dem Kauf eines Ihrer Bilder machen Sie bestimmt keinen Fehler. Sammler von Marinemalerei haben nach meiner Erfahrung immer einen ordentlichen Besitzerstolz. Den sollten Sie füttern. Wenn Sie zu Besuch sind und Sie sollen beim Gastgeber ein Bild mit Schiff drauf würdigen, was macht man dann? Ein Tipp: Sieht die Bude, in der Sie sind, nach Geld aus und wirkt alles richtig gediegen, dann sehen Sie fachmännisch das Bild an und fragen: Ist das ein Holst? Mit ziemlicher Sicherheit liegen Sie richtig. Das Gesamtwerk von Holst umfasste 3000 Gemälde. 985 sind bisher entdeckt, der Rest schlummert mit Sicherheit in Haushalten irgendwo in Hamburg und mit Sicherheit wabert da der Besitzerstolz durch die getäfelten Räume. In entsprechenden Situationen lag ich mehrfach richtig! Mit 14 hatte ich in der Galerie am Jungfernstieg meinen ersten Holst gesehen. Trotz spätpubertäter Unsicherheit betrat ich die Galerie, fragte nach dem Bild und erfuhr, dass das das Bild „Ein Holst“ wäre und die „CUTTY SARK“ zeigen würde. Mit der Lüge, dass ich zur Not meine Eltern dafür begeistern könne, wurde mir auch ein Preis genannt, ich glaube es waren 38.000 Mark, was nun wirklich over Budget lag. Ich und kein Holst, Holsti!, Holsti! Mit 15, ein Jahr später war ich zu Gast in der Villa eines Kartonagenfabrikanten. Die Stimmung am Abendbrottisch war gedämpft und schweigsam. Die beiden Söhne der Familie, mit denen ich befreundet war, drohten abzurutschen. Sie kifften den ganzen Tag, liefen barfuß rum und gingen nicht mehr regelmäßig zu Schule. Während ich ein Scheibchen Jagdwurst auf mein hanseatisch sparsames Graubrot mit Margarine lupfte, erkannte ich am anderen Ende des geräumigen Speisezimmers ein großes Bild mit Segelschiff drauf. Allein um das Schweigen am Abendbrottisch zu brechen, fragte ich: Ist das ein Holst ? Der Alte, also der mit der Kartonagenfabrik, explodierte dann fast vor Redseligkeit und ich galt natürlich als ein Junge von Geist, Stil und Bildung! Tja, ich und mein Holst, Holsti, Holsti. Womit sie Rita begeistern können ist Anerkennung ihrer Bilder, und am Besten drückt sich Anerkennung über Käufe aus. Wer sich heute Abend nicht sicher ist, kann gerne wiederkommen. Die Kunstkantine ist auch Mittagsrestaurant, Bilder kucken und dabei Spaghetti Carbonara verdrücken, ist nicht der schlechteste Zeitvertreib. Denken Sie auch daran, dass in 4 Monaten wieder Weihnachten ist und sich Ihre Erbtante über ein kleines Schiff oder einen großen Pott freuen könnte. Und wenn Sie schon an Weihnachten denken, dann denken Sie auch daran, dass Sie hier Ihre Weihnachtsfeier buchen können. Jetzt sage ich vielen Dank fürs Zuhören und wünsche Ihnen einen schönen und interessanten Abend mit großen Pötten und kleinen Schiffen. Vielen Dank