# „INSIDE OUT“
Einladung
Rückseite
Die Formatierungen der Laudatios werden derzeit überarbeitet. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Laudatio
Laudatio Mattern III, Nissis Kunstkantine, 13.10.2016
Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine,
einen wunderbaren guten Abend erstmal. Mein Name ist Bernd Roloff, ich bin der Keynote – Speaker der Kunstkantine und darf Euch heute auf das herzlichste begrüßen zur 25. Vernissage von Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013.
Die heutige Vernissage gilt den Werken von Michael Mattern. Es ist jetzt das dritte Mal, dass ich die Werke von Michael ansagen darf. Die Kunstkantine eröffnete vor reichlich 3 Jahren ihre Pforten mit einer Vernissage für Michael, zwischendurch wurde ich ausgeliehen, für eine Superausstellung von ihm nach Itzehoe, wo Michael lebt und arbeitet. Die dortige Ausstellung, zu der ich ausgeliehen war, bespielte die Schaufenster eines ganzen Kaufhauses in der Innenstadt.
Und nun sind wir wieder hier im Bernsteinzimmer der HafenCity, nämlich der Kunstkantine um Kontakt zu seinem Werk aufzunehmen.
Die Ausstellung hat den Titel
Inside Out
Inside Out ist der Titel, also geht es offenbar um etwas, was von innen nach außen gedreht oder gekehrt wird. Was mag das wohl sein, was entblättert wird?
Als Genussmensch assoziierte ich, ehrlich gesagt, mit dem Titel der Ausstellung zunächst etwas essbares,
nämlich Sushi,
das Japanische Reisgericht und zwar in Form der sogenannten Inside-Out-Roll, die auch California Roll genannt wird.
Ihr merkt schon, euer Keynote-Speaker nähert sich der Kunst und dem Künstler auf gewohnt verschlungenen Pfaden. Beim dritten Mal Ansagen eines Künstlers muss man darauf achten, dass man sich nicht wiederholt. Weiter als Japan und Sushi kann man nun wirklich nicht ausholen, um sich nicht zu wiederholen.
Ihr alle kennt sicherlich Maki Sushi, bei dem die gefüllte Reisrolle mit einem Algenblatt umhüllt ist. Diese Form von Sushi gibt es seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Von außen sieht die Maki-Rolle relativ trist aus, mit ihrem dunkelgrünen Mäntelchen. Ihre inneren Reize, nämlich leckerer Fisch oder Gemüse und Sonstiges, kommen nicht so recht zur Geltung.
Über 200 Jahre später, nämlich 1973, so geht die Sage, hat der Sushi-Chef in dem Restaurant „Tokyo Kaikan“ in Los Angeles, ein Mann namens ICHIRO MASHITA eine plötzliche Eingebung.
Er erfindet die „California-Roll“, die auch Uramaki genannt wird.
Der Begriff Uramaki heißt übersetzt ungefähr „von innen gerollt“. Bei Uramaki wird zuerst das Algenblatt (Nori) um die Füllung aus Fisch oder Gemüse gewickelt, bevor das Ganze von außen mit Sushi-Reis umhüllt wird. Teilweise wird die Reishülle zur Geschmacksverfeinerung und Verzierung mit gerösteten Sesamsamen oder weiteren gehackten Zutaten beziehungsweise Fischrogen ergänzt. Von dieser Zubereitungsart stammt die beschreibende Bezeichnung Inside-Out-Roll, die vor allem in Amerika sofort einen Siegeszug antrat, weil sie optisch zweifellos attraktiver daherkommt.
Hunderte von Jahren machten Sushi-Köche im Wesentlichen das Gleiche, das Algenblatt gehört außen rum, und plötzlich kommt einer daher, der den Reis invers rollt und damit die Sushi-Szene revolutioniert.
Ähnlich ist es mit Michael Mattern. Auch er entschloss sich einer Eingebung folgend das innere der Technik nach außen zu kehren. Bis Mattern waren das Modernste, was die Kunstwelt in puncto Technikdarstellung zu bieten hatte, wohl die Werke von Konrad Klapheck, eine Mischung aus Neorealismus, Surrealismus und Popart. Wunderschönes Beispiel dafür etwa das Werk „Glanz und Elend der Reformen“, ein Riesending von Bild, das man in der Nationalgalerie in Berlin ansehen könnte, wenn dort nicht gerade wieder auf Jahre renoviert werden würde.
Matterns Eingebung zum „Inside Out“ kommt ihm, als er konzentriert Konstruktionszeichnungen ansieht. Wir alle betrachten Dinge mit dem Vorwissen, das wir haben. Bei Mattern ist es das künstlerische Vorwissen und er erkennt in den Zeichnungen graphische Elemente wieder, die typisch sind für den sog. Konstruktivismus. Der Konstruktivismus war eine Anfang des 20. Jahrhunderts entstandene neue Kunstrichtung mit einem geometrischen Gestaltungsprinzip, beliebt sind Kreise, Dreiecke und andere Grundformen, gern auch als Relief angeordnet. Hotspot des Konstruktivismus ist vor allem Russland.
Michael sieht sich also Konstruktionszeichnungen mit seinem Vorwissen über diese Kunstrichtung an und entschließt sich, die Formenwelt dieser Vorlagen zu extrahieren und dann als Gemälde auf der Fläche neu zu komponieren. Die Konstruktivisten sprachen eigentlich immer von der „Gegenstandslosigkeit“ ihrer Kunst. Geometrische Formen als Selbstzweck, man will unheimlich puristisch sein, gebundene Formen und kein Plüsch sind angesagt, parallel zum Entstehen dieser Kunstrichtung findet die kommunistische Revolution in Russland statt. Statt Romanov gibt es jetzt Rodtschenko. Hier ein Werk dieses Malers, des russischen Konstruktivismus.
Im Grunde ist damit zugleich gesagt, dass der Konstruktivismus gar nicht gegenstandslos war, nur fand seine Gegenständlichkeit nicht in der äußeren Form der Dinge statt, sondern in den Interna und mit den Interna beschäftigte sich vor Mattern keiner. Man kann natürlich auch sagen, dass wir hier die äußere Form von Maki-Sushi wiederfinden, aber der war ja zu Zeiten der Oktoberrevolution noch nicht in Russland angekommen.
Diese innere Gegenständlichkeit der Dinge, von Michael entdeckt, wird nun zum Hauptthema von Matterns Kunst. Die Innere Gegenständlichkeit der Dinge aufdecken und zum Motiv machen. Das ist der Clou an der Sache. Das künstlerische Schaffen ist dann sinnhaft, wenn es mit Aktualität, am besten sogar mit Avantgarde verbunden werden kann.
Es ist dabei für den Künstler jederzeit mit Widerstand zu rechnen. Inside-Out-Rolls werden in Japan beispielsweise nur selten serviert. Diese Widerstände hat der Künstler zu überwinden.
Im Folgenden möchte ich Ihnen 3 Argumente sagen, weshalb sie ein Bild von Mattern in ihrer Sammlung, bzw. besser noch an Ihren Wänden brauchen. Die 3 Argumente sind Aktualität, Intellektualität und schließlich die Wallpower, die Matterns Werke ausstrahlen.
Nr. 1 Aktualität :
Wenn wir uns fragen, was die Zukunft bringt, dann sehen wir uns am besten an, was die machen, denen die Zukunft gehört und da kann man nur sagen, dass die Jugend von 9-25 Jahren technikaffin, ja sogar technophil ist und wir aufhören sollten, dagegen anzugehen.
Die Idealvorstellung des weiblichen Haushaltsvorstands in den Elbvororten über das „good housekeeping“ ihrer Abkömmlinge erinnert dagegen ein wenig an die Bergbauernfamilie. Der Sohn soll am besten mit einem Schnitzwerkzeug am Eichenholz zugange sein, um einen Wanderstab für den Vati herzustellen. Tochter Eins knetet am besten einen folkloristischen Römertopf, die kleine Adelheid, Tochter Zwei, spielt konstruktiv mit ihrer Brio-Holzeisenbahn.
Die sieht ja so ein bisschen aus, als stamme das Design von Konrad Klapheck. Der Stuhlgang der Kinderschar ist dank Grünkernbratlingen zum Abendbrot geformt und regelmäßig.
Das ist nicht die Realität.
Mir schlägt jedenfalls beim Nachhause kommen bereits das Cyber-Zeitalter entgegen. Der Sohn hat eine wirr verkabelte 3-D-Brille auf, angeschlossen an einen giftig aussehenden Gamer-Computer. Ich habe immer den Eindruck, ich würde einem Predator „guten Abend“ sagen.
Die Töchter dösen vor dem Wide-and-Flat-Screen von Samsung, auf dem ein japanischer Manga mit Kreischton läuft, und bespielen gleichzeitig ihre Smartphones und ihre Laptops. Leergegessene Schachteln von „Asia Hung“, die vermutlich mit Inside-Out, California-Rolls gefüllt waren, kegeln über den Couchtisch.
Die Erlebenswelt unserer Jugend ist nicht mehr naturalistisch, sie ist technisch. Wer von dieser Erlebenswelt von seinen Eltern aus guten Gründen ferngehalten wird, kann nicht mitreden und wird zum Outcast. Fehlgeschlagene Sozialisierung wegen Holzspielzeug steht auf dem Diagnose-Bogen des Jugendpsychologen.
Die Hausaufgaben und Referate sind ab Klasse 3 nicht mehr ohne Computer und Internet zu erledigen. Die Technik ist zwingend ständiger Begleiter unseres Nachwuchses. Und auf dieser Erlebenswelt wird unser Nachwuchs aufbauen.
Insofern bin ich der Meinung, dass die Adaption von Matterns Werken in der Zukunft großartig sein wird. Insofern ist es auch ganz prima, dass zu meinem Nachlass eine ganze Anzahl von Werken gehören werden, die ich in der Vergangenheit von Michael erworben habe.
Auch im Besprechungsraum und in der Werkstatt unserer Maschinenbaufirma sind Gemälde von ihm angebracht. Einige davon basieren auf Extraktionen aus unseren Konstruktionszeichnungen. Es kam bei der Belegschaft immer gut an, wenn unsere Produkte zur Kunst geadelt wurden. Auch sie findet ihre technische Erlebenswelt in der Kunst von Mattern reflektiert.
Egal, ob sie nun ein Fan von toskanischer Landschaftsmalerei sind oder ihr Müsli gern selber schroten. Man kommt an dem Thema Technik in der Kunst zukünftig nicht vorbei und es sind nicht eben viele Künstler, die sich thematisch mit ihr befassen. Und bei der inneren Ästhetik der Technik sind es noch weniger und bei der Konnektierung an eine kunsthistorische Stilrichtung von einiger Bedeutung fällt mir gar keiner ein, der Mattern gleich kommen würde.
Technophilie ist die Zukunft, sie ist eine der ganz, ganz großen Trends.
Technophilie ist historisch ambivalent. In der Nachkriegszeit fand man die Technik von Staubsauger, Waschmaschine und Fernseher nützlich und unterhaltsam. Ab Ende der 60er bis in die 80er gab es, bedingt durch die Angst vor der Atomwirtschaft, seien es Atombomben oder Atomkraftwerke, und durch den Teufel der Energieverschwendung – Das Öl geht aus – Das Licht geht aus – Das Ozonloch wächst – der deutsche Wald stirbt – Der Regenwald auch – die Gorillas sowieso – eher einen Trend zurück zur Natur. War auch schön.
Nunmehr wächst aber eine Generation nach, die deutlich technikaffiner ist, als vorherige und die das Thema Technik positiv besetzt. Der Markt läuft für die Technik und man kann sich nicht gegen den Markt stellen.
1997, hatte die Firma Brio, die die berühmten Holzeisenbahnen herstellt, noch 1000 Mitarbeiter. 2015 ist die Belegschaft auf 80 Mitarbeiter geschrumpft, seit 10 Jahren werden Verluste gemacht. So geht einem das, ohne Schnittstelle zur digitalen Welt.
Nr. 2 Intellektualität :
Wenn Sie am Abend nach getaner Arbeit relaxen wollen, genügen Frauentausch, Trödeltrupp und Deutschland sucht den Superstar nicht wirklich.
Ihr Geist braucht auch Ansprache, um sich zu entspannen. Insbesondere schafft die Kenntnis von Background und dem Kontext von Gegenständen in der eigenen Umgebung eine gewisse noble Zufriedenheit. Wir haben vorhin Mattern kunsthistorisch in den Bereich eines revitalisierten Konstruktivismus verortet. Erlaubt mir nunmehr einen kurzen Ausflug in die Erkenntnistheorie, also den Bereich, in den uns schwer atmende Professoren erklären, ob und ggf. was hinter den Erscheinungen der Welt steht, bzw. was von ihr wahrnehmen.
Was sich metaphysisch anhört, führte bei Eurem Keynote-Speaker zum Kauf eines Ducati Superbikes, zur Verzweiflung bei einem Folierungsbetrieb, und zur Aufruhr in der Motorrad-Presse.
Wir haben Euch heute dieses Artefakt mitgebracht. Hierbei handelt es sich schlicht und ergreifend um den erlebnisintensivsten Gegenstand, den ich mir vorstellen kann. 270 km/h schnell kann man damit sein.
Für das Oberflächendesign war Michael zuständig. Auf der Verkleidung des Motorrades folgte er wiederum dem Motto „Inside Out“. Die Ducati-Motorräder haben eine spezielle Ventilsteuerung, die sog. Desmodromik, die sie von allen anderen Motorrädern unterscheidet, nur ist diese Besonderheit von außen nicht erkennbar. Michael beschäftigte sich mit den internen Bauteilen, die zur Desmodromik gehören,
extrahierte deren Form und visualisierte diese Teile auf der Verkleidung.
Hier eine Konzeptskizze zur Darstellung auf der Verkleidung.
Die Idee zu diesem Vorgehen stammte aus dem Buch „Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten“, einem Klassiker der Erkenntnistheorie, geschrieben von Robert M. Pirsig, einem Buch, das von über 100 Verlegern abgelehnt wurde, und schließlich zu einem Welterfolg mit Millionenauflage avancierte.
In diesem Werk, das mittlerweile als ‚Kulturträger‘ heroisiert wird, definiert der Autor eine innere und eine äußere Ästhetik der Dinge. Die äußere Form der Dinge definiert er als romantische Ästhetik, die Ästhetik der Interna als klassische Ästhetik. Dem Buch ist die Behauptung immanent, dass wir in unserer Wahrnehmung auf das eine oder das andere geprägt sind. Bezogen auf technische Gegenstände sind wir entweder geprägt auf das Erscheinungsbild als Anreiz oder uns interessiert die interne Technik, die Besonderheiten in der Konstruktion und Leistungserzeugung.
Männer kaufen Autos meistens aus anderen Gründen als Frauen. Während für ‚ihn‘ dekorative Felgen ein Faszinosum darstellen, sucht ‚sie‘ nach den Isofix-Befestigungspunkten für den Kindersitz und beäugt kritisch Kofferraumvolumen und ob auch beide Schminkspiegel eine Beleuchtung haben.
Andererseits gehören beide Ästhetiken auch irgendwie zusammen. Wessen neues Samsungtelefon in diesen Tagen wegen defekter Akkus in der Handtasche explodiert, bekommt dies beispielhaft vorgeführt.
In diesem Sinne vereint unsere Ducati mit der Darstellung der Motorelemente auf der Verkleidung beide von Pirsig definierten Ästhetiken.
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie zufrieden ich damit bin, dieses Projekt tatsächlich mit Michael umgesetzt zu haben. Die Zeitschrift ‚Motorrad‘, immerhin das größte europäische Motorradmagazin, widmete unserem Bike einen Vier-Seiter
http://www.nissis-kunstkantine.de/wp-content/uploads/2016/09/Ducati-899-Panigale-Motorradzeitschrift.pdf
und die Ducati-Community bei Facebook und anderen sozialen Medien zerriss sich geradezu in positiver wie negativer Kritik.
Beim Thema Motorrad fühle ich mich im besten Sinne angekommen, mehr geht für mich nicht. Die von ‚Motorrad‘ so getaufte ‚Pirsig-Panigale‘ ist auch deswegen nicht mehr reproduzierbar, weil Ducati diesen Höllensound nicht mehr liefern darf. Panigales werden nur noch mit zwei konventionellen und voluminösen Endschalldämpfern ausgeliefert.
Stellen Sie sich mal vor, meine Damen und Herren, was sie für einen Quantensprung im Hinblick auf Intellektualität machen können, wenn Sie sich ein Werk von Mattern kaufen und an die Wand hängen. Von vielen Anknüpfungspunkten habe ich Ihnen zwei genannt, einen kunsthistorischen und einen erkenntnistheoretischen.
Und nun kriegen Sie Besuch, der sich aus der Erlebenswelt von Frauentausch, Trödeltrupp und Deutschland sucht den Superstar erheben will. Zwanglos repetieren Sie lichtvolle Ausführungen über den Konstruktivismus in neuer Form, diesmal nicht klassisch ungegenständlich, sondern gegenständlich auf Basis geometrischer Grundelemente, gefunden in der Konstruktion der Dinge und wo man gerade dabei ist, gäbe es ja auch grundsätzlich eine Diskussion über die klassische und romantische Ästhetik. Schlagartig gelten Sie als Person von Geist und Lebensart. Beeindrucken sie Grundschullehrerinnen, Kreditsachbearbeiter und die Erbtante mit Ihrer neugefundenen Kultiviertheit.
Kommen wir zum 3. Punkt, der Wallpower.
Hatten wir eben noch Tiefgang, schwenken wir jetzt um auf ein wenig Blingbling. Die Kunstszene ist in diesen Tagen schillernd. Klammert man die Farbfeldmalereien von Marc Rothko aus, findet man in der Liste der höchsten Auktionserlöse aber durchaus eher Gegenständliches, bzw. Figuratives.
Es ist Gegenständliches und Figuratives mit Biss oder Strahlkraft oder Drama oder einer Feinstofflichkeit, die sich deskriptiven Bezeichnungen als unzugänglich erweist.
Die Dominanz dieser Werke auf der Wand lässt sich summarisch mit Wallpower charakterisieren. Sie löst eine bestimmte Ergriffenheit und – jedenfalls beim Besitzer des nötigen Kleingelds – die Emotion des Habenwollens aus.
Die Berater der Superreichen raten ihren Kunden dazu, Frauen, Yachten und Flugzeuge wegen möglicher Folgekosten möglichst nur zu mieten, Kunst aber zu kaufen. If you have that kind of money, meine Damen und Herren, also, wenn Sie so eine Art von Geld haben, dann gehen sie nicht mehr in eine Galerie und gucken sich an, was ihnen so gefällt, sondern sie schicken jemanden auf die Jagd.
Der Käufer betritt also das Akquisitionsparkett zuerst, emotional aufgeladen, mit der Gier nach einem bestimmten Maler oder einem bestimmten Werk, das ihm neben den eben genannten Emotionen Renommee verschaffen soll und besten Falls auch ein verknapptes Spekulationsobjekt. Wer nun glaubt, dass dieses Prozedere glücklich macht, so wie Geld überhaupt, kann sich getäuscht sehen. National erregte der Fall Achenbach Aufsehen, international gab es den Fall Beltracchi, aber als der global größte Betrüger erscheint derzeit der Kunsthändler Yves Bouvier. Geklaute Kunst, gefälschte Kunst und überhöhte Margen werden Bouvier vorgeworfen.
Hauptgeschädigter in diesem Kontext ist der russische Düngemittel-Oligarch Rybolowlew, der für 2 Milliarden bei Bouvier Kunst kaufte, die bei gutem Willen eventuell die Hälfte wert ist. Es geht um vierzig Bilder, unter denen sich Werke von Picasso, Gauguin, Rothko, Leonardo da Vinci, Matisse und Rodin befinden, bzw. befinden sollen, wenn sie denn echt sind.
Wie man sieht, kann Kunst zum Stressfaktor werden, auch für Düngemittelkönige, die sich den Weg bei der Privatisierung russischer Fabriken freigeschossen haben. Die Spezies der Kunstsammler teilt sich auf in die Bewahrer, die Investoren und die Kunstbegeisterten, wobei die Letztgenannten den größten Spaß haben dürften. Verboten ist, sich mit billigem Ramsch vollzustopfen. Sonst kommt der Trödeltrupp, vor dem ich vorhin schon gewarnt habe. Verboten ist aber auch, vermeintlich großen Namen hinterher zu hecheln. Im Einkauf liegt der Gewinn, sei er emotional oder finanziell.
Insofern bietet die Ausstellung von Michael Mattern eine gute Kaufgelegenheit, sich einen zukünftigen Klassiker der Moderne zuzulegen. Ansprechpartnerin für die hier ausgestellten Werke ist bis zum 23.11.2016 meine Frau Nissi, die Initiatorin und Namensgeberin der Kunstkantine.
Mit einem Werk von Mattern machen Sie keinen Fehler. Für mich erschließt sich die Wallpower von Matterns Werken aus ihrer Farbigkeit und ihrer innovativen Gegenständlichkeit. Vor mehr als 10 Jahren stand ich zum ersten Mal vor einem Bild von Michael und verspürte eben diese bestimmte Art von Ergriffenheit. Die Farben, die ungewöhnliche Gegenständlichkeit, die Komposition und Balance führte zu einer nicht nur naiven Verknalltheit. Der Preis war mir zu hoch. Also schüttelte ich meinen Wunsch zunächst ab. Braucht man nicht, Geld ist woanders besser eingesetzt, und ein neues Sofa wäre auch mal schön. Aber irgendwie musste ich am Tag darauf wieder auf die Pirsch gehen und „mein Bild“ wieder besuchen. Die Kunstkantine bietet Ihnen die Möglichkeit regelmäßig zu retounieren und sich bei wechselndem Mittagstisch, bzw. geistigen Getränken in aller Ruhe in ein Werk von Michael Mattern zu verlieben.
Andererseits kann es ja auch erquicklich sein, die Impulskontrolle schon heute Abend aufzugeben, wenn Sie die Wallpower eines Gemäldes kraftvoll anzieht. Im Grunde wünsche ich Ihnen das sogar. Der Kauf eines Gemäldes direkt in der Vernissage hat auch immer sowas von erfolgreicher Trophäenjagd. Man hat das Wild mit der Keule erschlagen und schleppt es in seine Höhle. Bei aller Technophilie muss man sich immer noch seiner Urinstinkte bewusst werden.
Meine Damen und Herren, ich bin jetzt mit meinem Vortrag am Ende und entlasse Sie in die Faszination der Werke von Michael. Denken Sie über die Feinstofflichkeit des Gegenständlichen, die California-Roll und die revolutionäre Ästhetik des Internen nach. Vor allem aber genießen Sie die Wallpower von Michaels Werken.
Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal und bleiben Sie der Kunstkantine treu.