Laudatio Andreas Görzen, 13.09.2019 Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste, willkommen im Bernsteinzimmer der HafenCity! Mein Name ist Bernd Roloff, ich bin der Keynote-Speaker der Kunstkantine und darf Euch heute auf das Herzlichste begrüßen, zur 55. Vernissage von Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013. Diese Ausstellung gilt den Werken von Andreas Görzen und steht unter dem Titel „Colours of my world“ Zu Deutsch „Die Farben meiner Welt“. Die wichtigste Farbe meiner Welt in den nächsten 15 Minuten ist „blond“. Begrüßen Sie mit mir zu meiner Rechten meine Assistentin Betty. Sie ist verantwortlich für das Hochhalten von Exponaten, die meinen hinreißenden und ausschweifenden Vortrag untermauern werden. In dieser Ausstellung finden sich 3 Gemälde mit Karl Lagerfeld als Motiv. Karl Lagerfeld war sicherlich jemand, den ich als wirklichen Prominenten bezeichnen würde. Prominent ist für mich jemand, dessen Tod auf der ersten Seite der Bildzeitung gemeldet wird. Und wirklich prominent war der Verflossene, wenn sich die Überschriften-Redaktion auch noch Mühe bei der Todesmeldung gegeben hat. Als Karl den Löffel abgegeben hatte, titelte die Bildzeitung: „Die Engel tragen jetzt Chanel“ Ich muss gestehen, dass ich ehrlich gerührt war. Der Spross einer Dosenmilchsippe hat es wirklich weit gebracht. Lagerfeld selbst wollte übrigens nicht in den Himmel, um die Engel einzukleiden. In einem Interview mit dem Playboy von 2011 hat er sich sehr eindeutig über sein Post-Mortem-Domizil geäußert: „Ich gehöre in die Hölle. Im Himmel ist es sicher langweilig.“ Legendär sind auch andere seiner Zitate: Zum Beispiel: „Telefone sind etwas fürs Personal.“ Wir sind doch heute alle mit unserem Smartphone verklammert. Der wahre Snob lässt sich eben alles von seinem Butler zuflüstern. Nächstes Beispiel: „Man muss das Geld zum Fenster rausschmeißen, damit es zur Tür wieder hereinkommt.“ Was soll das eigentlich bedeuten? Ich glaube es hat gar keinen Sinn, hört sich aber gut an. Betty meint, dieser Spruch bedeutet, dass man erst investieren muss, bevor Erträge entstehen. Der Sinn ist also der Gleiche wie bei dem Spruch „Man muss mit der Wurst nach dem Schinken werfen“, wie man in Bad Bramstedt sagt, wo Lagerfeld herkommt. Noch ein Zitat: „Eleganz ist ähnlich wie Mayonnaise. Sie schmeckt oder sie schmeckt nicht.“ Dieses Zitat lässt sich eigentlich auf alles anwenden, was sinnlich erfahrbar ist. Kunst ist ähnlich wie Mayonnaise, sie schmeckt oder sie schmeckt nicht. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Das berühmteste Zitat von Lagerfeld ist sicherlich der Spruch: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Niemand verkörperte den Kontrollverlust in dieser Hinsicht besser als die Figur „Cindy aus Marzahn“. Lieblingsspruch von Cindy im Übrigen: „Das Leben ist ein hartes Brot, aber es muss gegessen werden.“ Ja, meine Damen und Herren, warum hängen wir uns lieber Karl Lagerfeld als Cindy aus Marzahn an die Wand? An sich ist doch eine Jogginghose ganz bequem. In Jogginghose auf der Couch mit einer großen Tüte Erdnussflips bewaffnet, Whiskey-Cola im Glas, „Game of thrones“ in der hochauflösenden Glotze, das hört sich doch nach einem höchst angenehmen Abend an. Aber wollen wir mit Cindy aus Marzahn über der Couch den Endzustand einer solchen Lebensweise vor Augen haben, gewissermaßen als unser Celebrity-Twin? Besser, wir hängen König Karl auf, der sich von einem dreistelligen Körpergewicht wieder auf Jeansgröße 29 runterhungern konnte, um von Wallawalla-Outfits japanischer Designer in einen Superslim-Look mit Vatermörderhemden zu wechseln. Man braucht ja Vorbilder. Zum Sichgehenlassen braucht man keine, das kann man von selbst. Neben Karl Lagerfeld haben wir auch noch Porträts von Muhammad Ali und Michael Jackson in der Ausstellung. Was haben diese Motive gemeinsam? Alle 3 waren hochfokussiert und zusätzlich in ihrem Metier Genies. Ihre Karrieren begannen schon in früher Jugend. Bei Michael Jackson ist das bekannt. Karl Lagerfeld gewann mit 20 einen weltweiten Wettbewerb für die Kreation eines Mantels. Muhammad Ali begann mit 12 Jahren das Boxtraining, weil er den Dieb seines Fahrrades verprügeln wollte. Er wurde mit 22 Profi-Weltmeister und verteidigte den Titel sogar im Rückkampf. Tja, meine Damen und Herren, am Start erkennt man den Sieger. Aus allen 3 Porträtierten wurden schließlich Legenden. Der Begriff Legende war ursprünglich religiös besetzt. Bei Wikipedia habe ich folgenden Satz gefunden: „In der Form der Heiligenlegende zielt die Legende nicht auf die vordergründige historische Wahrheit, sondern auf die Verkündigung einer Glaubenswahrheit.“ Glaubenswahrheit und nicht historische Wahrheit. Was immer es auch an Auf und Abs und Skandalen in den Biografien der Porträtierten gegeben haben mag, wird verdrängt durch Heroisierung. Das ist jetzt nicht im negativen Sinne gemeint. Über die Frage, warum er Karl Lagerfeld mehrfach gemalt hat, schreibt mir Andreas: „Weil Lagerfeld eine große Modeikone war und immer noch ist. Er hat viele Menschen inspiriert und solche Persönlichkeiten male ich gerne, da sie der Welt etwas mit ihrer Kunst schenken.“ Aber es gibt ja hier nicht nur Porträts zu sehen. In unserer Einladung haben wir über den Gesamtkontext der Ausstellung das Folgende geschrieben: „Andreas setzt bei seinen Porträts, Stadtansichten und Stillleben auf knallige Acrylfarben und ertüchtigt das Seherlebnis seiner Werke mit Applikationen wie zum Beispiel Swarovski-Steinen. Gezeigt wird eine prismatische Auswahl ausdrucksstarker Gemälde, die sich zwischen den Begriffen Expressionismus, PopArt und Materialbild verorten.“ Andreas verortet seine Kunst nicht zwischen Expressionismus, PopArt und Materialbild. Er nennt sie „Abstract Realism“, also Abstrakten Realismus. Für mich waren das Gegenbegriffe, was abstrakt ist, kann nicht realistisch sein und umgekehrt. Auf diesen Widerspruch angesprochen, hatte Andreas eine einfache Lösung: „Abstract Realism setzt sich für mich in meinen Bildern so zusammen, dass der abstrakte Hintergrund verbunden wird mit dem realistischen Motiv.“ Ausnahmsweise lass ich mal eine andere Meinung gelten, als meine eigene. Nehmen wir mal das Gemälde, das er mit „Harley Davidson“ betitelt hat. Der Hintergrund kann als abstraktes Gemälde durchaus bestehen. Anschließend versammelt unser Künstler Ikonen des Hedonismus auf diesem Werk und verklebt sie anschließend mit offenbar getropften Linien mit dem Hintergrund. Das Gemälde zeigt mehr, als einen drehmomentstarken Soft-Chopper. Es gibt auch die Liedzeile: “It´s only Rock`N`Roll“, das Rolling Stones-Logo und eine Gitarre zu sehen. Bei der Gitarre handelt es sich, jedenfalls der Form nach, um das Modell „Stratocaster“ von Fender. Hier sehen wir Keith Richards von den Rolling Stones mit einer Stratocaster als Arbeitsgerät: Wer es noch realistischer liebt, für den haben wir heute mal eine Fender Stratocaster im Original mitgebracht. Betty, halte das Ding mal hoch! Du hast heute schwer zu tragen, das gebe ich zu. Die Fender Stratocaster kam ursprünglich 1954 auf den Markt und gilt als beliebteste, meistverkaufte und meistkopierte E-Gitarre weltweit. Wikipedia schreibt über die Bedeutung der Stratocaster in der Kunst: „Die Grundform der Stratocaster wird daher bis heute häufig als optischer Ausdruck des Rock ’n’ Roll verwendet und findet sich – mehr oder minder stilisiert – auf zahllosen Plattencovern, Werbeschildern, Konzertplakaten, Aufnähern, bei Dekoration von Diskotheken und Gaststätten bis hin zu Comics und Kinderspielzeug wieder.“ Ebenso, wie meine Motorräder stammt die Gitarre aus dem Fundus meiner Dinge, die ich immer schon mal bedienen wollte, wenn ich nur Zeit dafür hätte. Betty, jetzt kommt dein Satz: „Das ist ja so ein Männerding. Ihr habt das mehr damit. Frauen haben so was in der Art auch nicht.“ Vorläufig muss ich die Bedienung der Stratocaster also Keith Richards überlassen. Ich habe mal seine Biographie mit dem Titel „Live“ gelesen. Sein Lebensstil war hiernach von Allem anderen als Verzicht geprägt. Vor allem sein Umgang mit berauschenden Stoffen wurde bekannt. In einem Interview sagte er: „Das Merkwürdigste, was ich je versucht habe durch die Nase zu ziehen? Meinen Vater, ich habe meinen Vater gesnifft. Er war eingeäschert worden, und ich konnte nicht widerstehen, ihn mit ein bisschen Koks zu zermahlen.“ Hier schließt sich denn auch der Kreis mit Karl Lagerfeld. Es war Lagerfelds ausdrücklicher Wunsch, eingeäschert zu werden, weil er – Zitat: „Keine Maikäfer im Körper wollte“. Meine Damen und Herren, die Maikäfersaison ist nun schon länger vorbei. Ich darf daran erinnern, dass wir in bald 3 Monaten schon wieder Weihnachten haben. Eine Vernissage ist eine Verkaufsveranstaltung. Beschenken Sie sich und / oder Andere mit einem Werk von Andreas Görzen, auch wenn ihm der Verkauf eines seiner Gemälde immer eine kleine Träne ins Knopfloch fallen lässt. Andreas schreibt mir: „Ich trenne mich schwer von meinen Werken, da jedes einzelne ein Stück von mir ist. Aber leichter macht es mir zu sehen, dass andere Menschen sich an meinen Werken erfreuen und das jeden Tag aufs Neue.“ Ich sprach vorhin von dem Fundus der Dinge, die man immer schon mal bedienen wollte, wenn man nur Zeit dafür hätte. Ich spreche von Trainingsfahrrädern, sonstigen sperrigen Trainingsgeräten, Raclettegrills, aufblasbaren Schwimmbädern und sonstigem, was sperrig ist und auch noch ein schlechtes Gewissen machen könnte. Davon haben Sie doch schon genug. Deswegen folgen Sie doch bitte Ihrem plötzlich auftretenden Kaufimpuls, wenn Ihnen eines unserer Exponate zusagt. Sie machen damit keinen Fehler. An die Herren der Schöpfung: Wie wäre es mit Minnie Mouse Chanel für das Ankleidezimmer Ihrer Gattin? Hängt das Gemälde am richtigen Platz, dann macht es Spaß. Ein Überfluss an Markenaffinität, bling bling, um nicht zu sagen bling bling bling und dann auch noch eine kokette Comicfigur, das macht doch Sinn im Dressingroom. Es muss auch nicht der Dressingroom der Gattin sein, die Geliebte ist vielleicht auch begeistert und das Ganze ist noch ausbaufähig. Paris, meine Damen und Herren, Rue Cambon, das ist das Zentrum des Chanel-Imperiums. Auf mehreren Stockwerken gibt es von Schuhen bis zur Sonnenliege alles mit dem markanten Logo. Da braucht man natürlich Benzin im Tank. Rufen Sie besser Ihre Kreditkartenfirma an, damit der Verfügungsrahmen auf einen fünfstelligen Betrag erweitert wird. Für die Handtasche, wie sie Minnie Mouse trägt, kommen ja bereits ungefähr 4.000,00 Euro auf den Ladentisch. Das Jäckchen ist auf ca. 7.000,00 zu taxieren, das Kleid schätzen wir mal auf 5.000,00 Euro. Ich komme zurück auf die Bild-Zeitung: Wenn die Engel jetzt Chanel tragen, dann muss Gott so reich sein wie Gott eben reich ist. Kalkulieren Sie bitte auch, dass unser geschätzter Ex-Bürgermeister und jetzige Finanzminister Scholz trotz Rekordsteuereinnahmen aus anderen Bereichen, jetzt die Vermögenssteuer wieder einführen will. Haben Sie mit der Kreditkarte Ihren 16.000,00 Euro-Einkauf bezahlt, ist das fürs Finanzamt sichtbar. Der Sachwert hängt in Ihrem Kleiderschrank. Dann können Sie bei einem Steuersatz von 1 % jährlich 160,00 Euro Vermögenssteuer berappen. Aus dem fraglichen Zeitraum werden auch bald Ihre Bewirtungs- und Hotelbelege angesehen und bei der nächsten Außenprüfung wird man Sie dann anhand der Belege aus dem George V. und dem Fouquets fragen, ob Ihre Reise denn wirklich betrieblich veranlasst war oder ob es sich bei Ihren Belegkreationen um eine sozialschädliche Ertragssteuerhinterziehung handelt. Kaufen Sie stattdessen lieber bei uns Kunst gegen Bares! Eben habe ich an die Herren appelliert, Minnie Mouse für das Ankleidezimmer der Angebeteten zu erwerben. Jetzt appelliere ich an die Damen, ein Gemälde für das Herrenzimmer zu kaufen. Das Herrenzimmer ist ein wichtiges Instrument der Männerautonomie. Hier kann er unrasiert in Unterhemd und Jogginghose mit einer Bierdose und Erdnussflips bewaffnet in Ruhe Fernsehen gucken. Hier darf er ungestört in seinem Lieblingssessel auch mal ein Nickerchen halten, bevor er zum Rasenmähen rausgeschickt wird. Was fehlt, ist ein Gemälde mit Dynamik und Wallpower. Unser Künstler bietet hier z.B. ein schönes Autobild an. Titel: Ferrari 250 GT SWB. GT steht für Gran Tourismo. SWB steht für Short Wheel Base, also für kurzen Radstand. Das Original ist finanziell unerreichbar, allein die zukünftig anfallende Vermögenssteuer dürfte 100.000,00 Euro pro Jahr betragen. Außerdem hat ein Oldtimergemälde gegenüber einem Original den unschätzbaren Vorteil, dass an ihm nicht ständig herumgeschraubt werden muss. Der Gatte ist also verfügbar fürs Rasenmähen oder die Heizkörperentlüftung und trödelt nicht in der Garage rum. Und dann, meine Lieben, habe ich noch ein inspirierendes Werk von Andreas fürs Schlafzimmer gefunden: Der Titel: „Kiss kiss bang“. Es wird also 2 Mal geküsst und 1 Mal gebängt. Wieso wird eigentlich nur einmal gebängt? Der original Filmtitel lautet „Kiss kiss bang bang“. Wir haben es hier mit einem durchaus assoziationsreichen Gemälde zu tun. Das Blauschwarz der Nacht, der geöffnete Mund und das Dripping-Ensemble auf den vollen roten Lippen. Das inspiriert. Darüber hinaus ist das Motiv ein absoluter Klassiker. Über den Frauenmund in der Kunst kann man promovieren, wenn nicht sogar habilitieren. Warhol ließ sich von den Lippenformen Marilyn Monroes und Elizabeth Taylors inspirieren und verarbeitete sie popartmäßig und in Repetitionen. Salvador Dali war von den Lippen von Mae West fasziniert und produzierte 5 Sofas mit dem Lippenmotiv: Natürlich rissen sich Museen und Sammler um diese Exponate. Tausendfach werden jedes Jahr mehr oder weniger gute Kopien des Lippensofas verkauft. Die Preise reichen von 700,00 bis 6.000,00 Euro. Wir bieten hier die Flachware des Motivs als Unikat zum Preis von 2.500,00 Euro an. Für mich das Highlight der Ausstellung. Greifen sie also zu, bevor ich es tue. Meine Damen und Herren, dieser Vortrag ging mir leicht von den Lippen. Ich wünsche Ihnen, dass sie diesen Abend in heiterer Gelassenheit genießen. Lasst uns Leben vor dem Tod. Die Ausstellung ist hier 2 Wochen bis zum 1. Oktober zu sehen. Ich bedanke mich fürs Zuhören und bis bald. Bernd Roloff
Einige Fotos sind wegen evtl. Urheberrechtsverletzung nicht veröffentlicht. Die Setzerin