Laudatio Detlef E. Aderhold, 18.03.2020 Liebe Freundinnen und Freunde der Kunstkantine, liebe Gäste, willkommen im Louvre der HafenCity! Mein Name ist Bernd Roloff, ich bin der Keynote-Speaker der Kunstkantine und darf Euch heute auf das Herzlichste begrüßen, zur 61. Vernissage von Nissis Kunstkantine seit ihrer Eröffnung im März 2013. Nissis Kunstkantine besteht also jetzt seit 7 Jahren. Das verflixte 7. Jahr ist vorbei. Die Story der Kunstkantine fing damit an, dass ich vor 8 Jahren versonnen in eine Baugrube blickte und ein Makler neben mir stand, der das Objekt wie folgt anpries: „Und hier, lieber Herr Roloff, kommt dann ihre Einheit hin!“ Ich muss dazu sagen, dass ich schon als Kind nicht gern mit Sand gespielt habe und wenn ich so in die Baugrube blickte, fehlte mir jegliches Vertrauen und Vorstellungsvermögen. Naja, scheißegal, dachte ich, HafenCity ist ja angesagt. Die größte Baustelle Europas. Irgendwann wird schon irgendwas fertig werden. Nun aber stehen wir nicht mehr in der Baugrube, sondern in der Kunstkantine. Der Keynotespeaker steht auf der Laudatorentreppe und zu seiner Rechten steht – wie immer bei diesen Gelegenheiten – seine Assistentin Betty. Betty hat den Text meiner ausschweifenden Rede geschrieben und wird meine goldenen Worte durch das Hochhalten von Exponaten begleiten. Ich bitte im Voraus um Applaus. Meine Erfahrung ist, dass man besser Vorkasse verlangt, man weiß ja nie, ob der Kunde Geld hat und ob ihm die Ware wirklich gefällt. Meine Damen und Herren, eine Vernissage ist nicht zuletzt eine Verkaufsveranstaltung. Ich hoffe, Sie sind flüssig. Weshalb Ihnen die Ware gefallen muss, dass erkläre ich Ihnen jetzt. Potzblitz! werden Sie denken. Wenn man den Roloff reden lässt, dann verkauft er dem Papst ein Doppelbett. Potzblitz lautet auch der Titel der Ausstellung der Werke von Detlef E. Aderhold. Ihm gilt die heutige Vernissage. Dies zu Ihrer Orientierung nach Ort und Anlass. Und jetzt geht es um die Ware, die ich Ihnen anbiete. Dem geschickten Außendienstmitarbeiter gelingt es, seine Kunden einer Kategorie zuzuordnen. Einer Kategorie von Kunden gefällt es, wenn sie etwas Einzigartiges und Besonderes erwerben können, das es nicht noch mal gibt und das kein anderer haben kann. Diese Voraussetzung ist hier schon mal erfüllt. Alle Werke sind Unikate. Als nächstes stellt sich die Frage: Hat der Künstler irgendeinen Plan bei seiner Werkschaffung? Oder dominiert gewollte oder unbewusste Planlosigkeit? Unser Künstler erschafft seine Werke unter der Ägide von 5 Variablen. Diese Variablen sind: Konzeption, Emotion, Aktion, Zufall und Struktur. Wenn Emotion und Zufall bei Detlef im Spiel sind ist damit schon mal klar, dass es kein komplettes, ausformuliertes inneres Bild gibt, das nach außen drängt. Die Konzeption als Skizze oder Entwurf formuliert nur vor, die zweite Variable, die Emotion, ist die Triebkraft, die zur Ausführung des Konzeptes führt, also zur Aktion. Tja, meine Damen und Herren, Action speeks louder than words! Auf meine Fragen, in welcher Technik sind deine Werke gefertigt und mit welchen Materialien und was ist deine Lieblingsfarbe erhielt ich eine puristische, um nicht zu sagen spröde Antwort von Detlef, ich zitiere: „Acryl, Lack, manchmal Kaffee als Grundierung. Ich arbeite mit selbstentwickelten Techniken. Ich habe keine Lieblingsfarbe.“ Tja, Prost Kaffee meine Damen und Herren. Besonders die Antwort „Ich arbeite mit selbstentwickelten Techniken“ ist ja nun überaus hilfreich für die Abfassung einer Laudatio. In welcher Technik arbeiten sie: in einer selbstentwickelten. Bei solchen Gelegenheiten zitiere ich gern den Satz von Francis Bacon: „The job of the artist is always to deepen the mystery.” Der Künstler ist dazu berufen, das Mysterium zu verstärken. Wir bleiben mysteriös. Unsere Techniken sind selbstentwickelt. Rolls Royce hat sich schließlich auch immer mit der Angabe von Pferdestärken zurückgehalten und in der Rubrik Leistung hieß es im Prospekt eben: Ausreichend. Technik selbst entwickelt, Leistung eben ausreichend. Der Boss spricht in Überschriften und kann sich mit dem Kleinkram nicht aufhalten. Aber an einer Stelle hat Detlef sich verraten: Ich habe ihn gefragt, was für ein Typ Maler er ist: Der Flow-Typ, der den Malprozess selbst als Genuss erlebt oder der ergebnisorientierte Typ, der „endlich fertig“ werden will. Darauf schrieb Detlef mir: „In bestimmten Phasen beim Malen kann das Flow-Gefühl eine Rolle spielen. So am Anfang, wenn ich auf nasser Leinwand die Farben auftrage. Das muss schnell gehen, um das Verlaufen kontrollieren zu können.“ Aha, meine Damen und Herren, Detlef fängt auf nasser Leinwand an und muss den Verlauf kontrollieren. Als Betty und ich die Fotos von Detlefs Werken zum ersten Mal sahen, dachten wir spontan: „Kuck mal, Miró auf Löschpapier! Oder Konstruktivismus als Aquarell.“ Aber nix da mit Miró und Konstruktivismus: Detlef hat mir geschrieben, dass er auf Jean Michel Basqiuat, Jackson Pollock, Peter Doig, Daniel Richter und Cy Twombly steht. Bei allen Genannten gehe ich mit, nur bei Cy Twombly, da wird mir unwohl. Ich fürchte mich geradezu vor den Bildern von Cy Twombly, einem der berühmtesten Maler des abstrakten amerikanischen Expressionismus. Ich glaube, die wahre Kunst besteht darin, solche Werke für mindestens 2 Millionen an den Mann zu bringen. Das Bild stammt aus der Serie „Coronation of Sesostris“. Irgendwie kann man aus der Krönung eines Pharaos mehr machen, finde ich. Es ist etwas begonnen worden, aber irgendwie ist der Künstler vor Fertigstellung geflüchtet. Er hinterließ ein Werk der abstrakten Kunst, dementsprechend hat der Betrachter die komplette Deutungshoheit. Betty, übe bitte deine Deutungshoheit aus: „Chef, sieht aus wie ein Virus! Der Pharao hat jetzt Corona.“ Natürlich ist es auch möglich, dass ein Künstler gewollt dilettantisch und unfertig malt, um den Betrachter in eine Assoziationskrise zu stürzen. Man weiß nicht, was das soll, es sieht bekloppt aus, man kann sich nichts dabei denken. Im nächsten Schritt schämt man sich dafür. Man sieht sich um: Alle Anderen schauen ernst und sinnierend auf das Werk. Die müssen alle gebildeter sein als ich. Bei Detlef muss man keine Angst vor dem Unfertigen haben. Alle Werke wirken „fertig“ in dem Sinne, dass man nichts mehr hinzufügen will. Sie haben alle die Anmutung der Vollständigkeit und sie haben Titel, die den Betrachter grundsätzlich nicht in eine Richtung weisen, sondern ein offenes Zugehen auf das Bild ermöglichen, wie Detlef mir schreibt. In diesem Kontext sehen wir uns doch einmal eines der Hauptwerke der Ausstellung und das Bild an, das der Ausstellung seinen Namen gibt. Ich spreche von Potzblitz: Hier müssen Sie also nicht die Krönung eines Pharaos hineindeuten, sondern Sie können hier Ihr persönliches Potzblitz assoziieren. Was könnte man denn mit Potzblitz assoziieren? Bei „Wortbedeutung.info“ wird im Internet konstatiert, dass Potzblitz ein Ausdruck von großer Verwunderung und Erstaunen wäre. Wer weiter wühlt, findet Bedeutsameres, Zitat: „Man kann den Ausdruck gewissermaßen mit Gottesblitz gleichsetzen. Früher galt die Regel: „Du sollst den Namen des Herrn nicht unnütz führen“. Es war also verpönt, den Namen Gottes in Ausrufen oder gar Flüchen zu verwenden. Er wurde daher oft zu Box oder Potz entstellt.“ Ein Gottesblitz, meine Damen und Herren. Warum nicht? Lodernd, mäandernd und stürmisch. Bedenken Sie auch bitte immer die soziale Komponente eines Werkes, immer wichtig, wenn Besuch kommt. Nehmen wir an – das kann ja in diesen Zeiten schon bald aktuell werden – der Pastor kommt zu Besuch, um die nächste Grabrede zu besprechen. Da können Sie gleich Ihre neuen Erkenntnisse zur spirituellen Bedeutung von Potzblitz verarbeiten, kann es doch als Gottesblitz gedeutet werden. Wer ihn kannte, weiß, was wir verloren haben. Ich sprach vorhin von den Phasen der Werkschaffung bei Detlef. Konzeption, Emotion und Aktion haben wir abgearbeitet, wobei wir bei der Aktion etwas zu aktionistisch waren und ein wenig ausschweifend wurden. Aberration bei der Aktion sozusagen. Das macht auch nix, denn nach Aktion kommt bei Detlef der Zufall. Detlef definiert diese Phase wie folgt: „Nicht vorherbestimmtes oder bewusst herbeigeführtes Eingreifen in den Gestaltungsprozess.“ Meine Damen und Herren, eine sehr ernste Definition des Zufalls bei der Werkschaffung. Zu den 10 goldenen Regeln bei dem Besuch von Vernissagen gehört Folgende: „Galerien sind keine Orte der Heiterkeit. Es empfiehlt sich ein skeptisches, besser noch leicht mürrisches, auf jeden Fall aber gelehriges Mienenspiel, das der Tragweite des Vorgangs angemessen ist. Besonders gut kommt gelegentliches Kopfschütteln mit zugespitztem Mund.“ Hier noch mal die ernste Definition für Zufall bei der Werkschaffung: „Nicht vorherbestimmtes oder bewusst herbeigeführtes Eingreifen in den Gestaltungsprozess.“ Um zu erklären, was gemeint ist, habe ich meinen prominenten Zwilling, den sog. Celebrity Twin, interviewt. Betty kennt das schon. Ich bin wahlweise James Bond und sie Monepenny, bzw. bin ich Captain Kirk und sie Uhura. Ein weiterer Celebrity Twin von mir ist Tyler Durden. Betty ist dann Marla: Greifen wir nun auf ein berühmtes Zitat von Tyler Durden zurück: Tja, meine Damen und Herren, let the chips fall where they may. Aber bevor wir es dem Zufall überlassen, wo die Chips hinfallen, müssen wir die Chips erstmal hochwerfen. Auch für die Herbeiführung des Zufalls benötigen wir ggf. zunächst ein geordnetes Vorgehen. So, Ihr wisst jetzt Bescheid, was gemeint ist. Auch Frivolität erfordert Disziplin. Die 5. Variable bei der Werkschaffung ist bei Detlef die Struktur. Er schreibt mir Folgendes: „Struktur als das Resultat der Aktion und des Zufalls, kann der neue Ausgangspunkt der Interaktion mit dem Bild sein. Die Struktur legt eine neue Konzeption nahe, eine Idee, wie z.B. das Vorgefundene verändert werden kann. Ebenso spielen auch die anderen Variablen, Emotion, Zufall, Aktion eine Rolle. Dieser Prozess, die Interaktion der verschiedenen Variablen untereinander schreitet so lange fort, bis die Struktur nach meinem Gefühl eine „gute Gestalt“ ist, und das Bild im Ergebnis so bleiben kann.“ Ich darf das mal auf meine Weise übersetzen: Jeder kennt das – man hat sich angezogen und tritt vor den Spiegel. Man steckt das Hemd in die Hose, weil man glaubt, das sieht besser aus. Tatsächlich sieht man nicht besser aus, sondern fetter. Dann zieht man das Hemd wieder aus der Hose, dann ist es aber unten zerknittert. Also muss ein neues Hemd her. Das lässt man besser aus der Hose, damit man die Fett- und Knitterepisode nicht wiederholt. Es schließen sich grundsätzliche Überlegungen an: bei Hemd aus der Hose kann man den teuren Gürtel nicht sehen. Wir übergehen diesen Malus, stellen aber fest, dass das Hemd nicht wirklich zum Sakko passt. Das passende Sakko ist in der Reinigung, weil es eine Begegnung mit Spaghetti Bolognese hatte. Zwischendurch fällt einem auf, dass man seine Schuhe nicht zugebunden hat. Aber irgendwie, meine Damen und Herren, kommt man dann doch zu einem Punkt, an dem man sein Outfit als überwiegend richtig erachtet. Vorzugsweise ähnelt man dann seinem Celebrity Twin: Captain Kirk auf Brücke. Das Schnürsenkelproblem wurde durch Stiefel mit Reißverschluss gelöst. Wie wir sehen, hat Captain Kirk das Logo der Vereinigten Sternenflotte auf der Brust. Auf dem Bild „Vilingilli 7“: von Detlef ist links oben ebenfalls etwas zu sehen, was als Logo oder Emblem gedeutet werden kann: Ich habe Detlef direkt darauf angesprochen, was dieses Detail zu bedeuten hat. Detlef antwortete mir das Folgende: „Ich arbeite zum Teil mit Zeichen und Symbolen, auch ein zweiteiliges Ausstellungsprojekt „Signs“ kuratiert vom New Yorker Kunstkritiker und Kurator Eric Sutphin, den ich während meiner Zeit an der School of Visual Arts kennenlernte, beschäftigt sich mit der Frage von Malerei als eigenständiger hybrider Sprache.“ Sie merken schon, meine Damen und Herren, jetzt geht es in Richtung Vita. Die School of Visual Arts in New York ist die größte Privat-Universität der Künste in den USA und Detlef war dort auf Einladung in einem Summer Residency Program. Ein weiteres Highlight aus letzter Zeit war sicherlich, dass Detlef seine Werke bei der 58. Biennale in Venedig gezeigt hat. Und was für ein Ausstellungsort: Der Palazzo Bembo! Tja, meine Damen und Herren, für Ihren eigenen Palast empfehle ich Ihnen wärmstens einen Erwerb der hier ausgestellten Werke. Sie machen damit keinen Fehler BLABLA … die Ausstellung von Detlef läuft noch bis zum … „Ich habe nie einen Plan, wie das Bild sein soll. Das Malen ist immer eine Reise“ Zitat Doig – zuerst die Konzeption (z.B. Idee, Skizze, Entwurf; „Komposition“, die z.T. nur in der Vorstellung existiert, mehr oder weniger „vorformuliert“ ist; sie entfaltet sich im Handlungsprozess, in der Interaktion mit dem Bild) – Emotion (eigener Zustand, die Spontanität, die zur Handlung, zur Ausführung des Konzepts führt) – Aktion (zuerst wird der „Entwurf“ auf die Leinwand skizziert, vielleicht noch einmal verändert, dann erfolgt der konkrete Handlungsprozess, die Gestaltung des Bildes) – Zufall (nicht vorher bestimmtes oder bewusst herbeigeführtes Eingreifen in den Gestaltungsprozess) – Struktur (das Resultat der Aktion und des Zufalls, kann der neue Ausgangspunkt der Interaktion mit dem Bild sein. Die Struktur legt eine neue Konzeption nahe, eine Idee, wie z.B. das Vorgefundene verändert werden kann. Ebenso spielen auch die anderen Variablen (Emotion, Zufall, Aktion eine Rolle). Dieser Prozess, die Interaktion der verschiedenen Variablen untereinander schreitet so lange fort, bis die Struktur nach meinem Gefühl eine „gute Gestalt“ ist, und das Bild i.e. die Struktur so bleiben kann.) Bernd Roloff Einige Bilder wurden aus Datenschutzgründen gelöscht. Die Setzerin